Erbschaft aus England: Wer zahlt die britische und wer die deutsche Erbschaftsteuer?

Oder: Was englische Erbrechtsanwälte (Will Solicitors) bei der Gestaltung von „Last Wills“ fast immer vergessen

Nach britischem Steuerrecht wird die Erbschaftsteuer (Inheritance Tax) direkt vom Nachlass erhoben und zwar sofort, also schon bevor überhaupt der englische Erbschein (Grant) erteilt wird. Wer die Begünstigten sind, kann dem britischen Finanzamt damit (fast) egal sein, denn die Steuer wird eingezogen, bevor das verbleibende Nachlassvermögen unter den Miterben verteilt wird. Wer somit wirtschaftlich betrachtet die englische Erbschaftsteuer trägt (von wessen Erbteil die Steuer also bei der Verteilung der nach Steuer verbleibenden Erbmasse abgezogen wird), müssen die Begünstigten im Innenverhältnis unter sich ausmachen. Hier kann es – vor allem bei unklaren Testamenten – zu massivem Streit kommen.

Was bedeutet „free of tax“? Und meint die Klausel auch die deutsche Erbschaftsteuer?

Ich habe bereits in einem früheren Beitrag erklärt, warum die in England oft verwendete „free of tax“ Klausel für einen deutschen Vermächtnisnehmer oder Miterben zum Eigentor werden kann. Die vom Testamentsersteller gut gemeinte Klausel führt nämlich dazu, dass der deutsche Begünstigte keine Anrechnung der englischen Inheritance Tax nach § 21 ErbStG beantragen kann.

Aber auch die umgekehrte Fallkonstellation führt zu schwierigen Fragen bei der Abwicklung deutsch-britischer Erbfälle. Manchmal möchte der englische Erblasser (Testator) jemandem ein Vermächtnis zuwenden, aber die übrigen Erben nicht mit der englischen Inheritance Tax belasten, die auf dieses Vermächtnis entfällt.

Ein Beispiel: Der Erblasser besitzt 500.000 Pfund in bar und eine Immobilie im Wert von 500.000 Pfund. Wendet er im Testament das Geld dem Begünstigten A zu und die Immobilie dem Begünstigten B, dann ist die (leicht vereinfachte) Steuerberechnung und Verteilung des Restnachlasses wie folgt:

Nachlasswert insgesamt 1.000.000 Pfund

./. minus Freigrenze (nil-rate band) von 325.000 Pfund
Der Rest von 675.000 wird mit 40% besteuert, somit resultiert eine UK Inheritance Tax (IHT) von 270.000 Pfund. Diese Inheritance Tax wird aus dem Nachlass bezahlt, faktisch also aus den 500.000 Pfund Bargeld. Für das englische Finanzamt ist das Thema damit beendet. Nicht aber im Innenverhältnis zwischen A und B:

Will B die Immobilie vom Executor (Nachlassverwalter) übertragen bekommen, muss er zuvor seinen Anteil an der UK-IHT (135.000 Pfund) an den Executor überweisen, sonst trägt A im Innenverhältnis ja zu viel an Steuer. Wohnt A in Deutschland, kann er die auf ihn (genauer gesagt auf die UK-Immobilie) entfallende englische Erbschaftsteuer aber wenigstens auf die deutsche Erbschaftsteuer anrechnen lassen (§ 21 ERbStG).

Abwandlung 1: Der Testator schreibt im Testament, dass B die Immobilie „free of tax“ erhält. Das ist für A betrüblich, denn dann trägt A die gesamte englische Erbschaftsteuer von 270.000 Pfund aus seinem 500.000 Pfund-Erbanteil. Aber: Wohnt B in Deutschland, muss er die erlangte Immobilie natürlich in Deutschland versteuern. Wegen der „free of tax“ Klausel entfällt nun aber in Deutschland die Anrechnung nach § 21 ErbStG. In Gesamtbetrachtung ist diese Gestaltung daher ungeschickt, weil insgesamt mehr Steuern anfallen, als nötig gewesen wäre.

Abwandlung 2: Der Testator will erreichen, dass B die komplette Erbschaftsteuerlast, die aus der Immobilie in UK resultiert, allein trägt, dem Begünstigten A also der englische Freibetrag (nil-rate band) von 325.000 Euro ungeschmälert zur Verfügung steht. Hierzu wird in der Praxis der Erbrechtsanwälte meist eine Formulierung wie diese gewählt:

“I give to B my house situate at … AND SUBJECT to the due payment by said B  in full exoneration of my estate of all liability in respect of inheritance tax payable by reason of my death attributable to the said property or this gift without taking into consideration the nil-rate band.”

Diese Formulierung ist also das Gegenteil von „free of tax“. Der Vermächtnisnehmer kann vom Executor die Übertragung des Hauses erst verlangen, nachdem er dem nachlass die komplette englische IHT erstattet hat. Auch in dieser Konstellation fällt natürlich auch wieder deutsche Erbschaftsteuer an, falls der Begünstigte in DE wohnt. Aber wenigstens gelingt hier wieder die Anrechnung der ausländischen (englischen) Steuer nach § 21 ErbStG.

Fast kein englisches Testament berücksichtigt die deutsche Steuer

Man sieht, wer internationale Testamente gestaltet, sei es als englischer Solicitor oder deutscher Rechtsanwalt, steht ganz schnell mit beiden Beinen im Fettnapf, ohne es vielleicht auch nur zu merken. Wenn Sie also mit einem deutsch-britischen Erbfall befasst sind oder ein Testament für einen Mandanten gestalten sollen, der Nachlassvermögen in anglo-amerikanischen Ländern (sog. Common Law Jurisdiktionen) besitzt, sollten Sie das Testament zur Sicherheit vielleicht einmal auf die damit im Ausland erzeugten zivilrechtlichen und steuerlichen Folgen hin prüfen lassen.

Unsere englischen Solicitors und deutschen Rechtsanwälte halten hierzu an Universitäten, für Anwaltskammern, Steuerberaterkammern und für interessierte Erbrechts- und internationale Steuerberaterkanzleien regelmäßig Seminare und Workshops. Wenn Sie Interesse am Thema internationale Nachlassabwicklung und internationale Erbschaftsteuer haben, vermitteln wir im Rahmen eines 90‑minütigen Vortrags gerne einen Einblick in die Erbrechtspraxis Großbritanniens, Irlands, Australiens und der USA. Wir erläutern die häufig auftauchenden Missverständnisse und verraten einige Tipps, wie man bei den Nachlassgerichten in Common Law Jurisdiktionen schneller ans Ziel kommt.

Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, UK und anderen Commonwealth Ländern:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischsprachigen Prozessabteilung (GP Litigation) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle.

Wir sind die Experten für deutsch-britisches Erbrecht

Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit sowie in Erbschaftssteuerfragen Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien. Sie erreichen uns unter +49 941 463 7070.