Immobilienkauf in England: Tipps für die Praxis

„Die eigenen vier Wände“ versus „My Home is my Castle“

Das eigene Haus ist dem Briten mindestens ebenso wichtig wie dem Deutschen. Trotzdem sind die Mentalitäten recht verschieden. Der hiesige Häuslebauer (eine Entsprechung für diesen Begriff gibt es im Englischen gar nicht!) träumt davon, sein Haus nach seinen individuellen Vorstellungen am Traumort seiner Wahl zu errichten, dann dort für den Rest seiner Tage mit seiner Familie idyllisch zu wohnen und es schließlich über den Tod hinaus im Familienbesitz zu halten. Das gelingt zwar selten, aber es ist die Wunschvorstellung vieler, was auch die tägliche TV-Werbung diverser Bausparkassen belegt (Bausparvertrag ist übrigens auch so ein Konzept, das man einem Briten oder Amerikaner schwer verständlich machen kann). Ganz anders in England:

Dort baut so gut wie niemand selbst. Häuser gibt es entweder längst oder sie werden von Bauträgern erstellt und verkauft. Auf die Idee, sein privates Häuschen zusammen mit einem Architekten zu planen und umzusetzen, kommen die wenigsten Briten. Zweitens: Engländer haben in der Regel nicht die Vorstellung, dass sie ein Haus (oder eine Eigentumswohnung) für den Rest ihrer Tage erwerben. Immobilien werden vielmehr gemäß dem Bedarf der jeweiligen Lebensphase (und natürlich nach den finanziellen Möglichkeiten) ausgesucht und es ist völlig normal, ein Haus nach fünf oder zehn Jahren wieder zu verkaufen, um in ein größeres (wenn Kinder kommen) oder kleineres (wenn die Kinder ausgezogen sind) zu ziehen. Bezeichnendes Beispiel dafür: Britische Makler verwenden ganz selbstverständlich die Formulierung „That’s a first time buyer house“. Die Mentalität ist also: Wenn ich es mir leisten kann, tausche ich das Objekt später in ein größeres. Ein Makler in Deutschland wird dagegen selten von einem „Erstimmobilienkäuferobjekt“ sprechen. Hier ist die Mentalität eher: Eine Anschaffung für’s Leben. Drittens: Briten sehen den Immobilienkauf (noch viel mehr als die Deutschen) als Investment, von dem man sich eine Wertsteigerung erwartet. Befremdlich erscheint einem Deutschen die Transparenz der Hauspreise: Auf Internetseiten wie www.rightmove.co.uk oder www.myhouseprice.co.uk gibt man irgend eine Adresse ein und erhält erstaunlich präzise Angaben, wann ein bestimmtes Haus zu welchem Preis verkauft wurde. Ein deutscher Immobilienbesitzer wäre wahrscheinlich wenig begeistert, wenn sein Immobilienmakler den Transaktionspreis ganz selbstverständlich in so ein Portal einträgt. Selbst der Staat veröffentlicht jeden Monat einen „House Price Index Report„.

So viel zu den unterschiedlichen Mentalitäten. Aber wie läuft nun ein Immobilienkauf in England ab?

Es gibt in England zwar ein zentrales Grundbuch „Her Majesty’s Land Registry„, das aber einem Vergleich mit dem Grundbuchsystem in Deutschland nur eingeschränkt Stand hält (Details hier). Die Registrierung ist nämlich immer noch lückenhaft. Die gesetzliche Verpflichtung, Grundstücke offiziell registrieren zu lassen (compulsory registration), besteht erst seit 1990. Und diese Pflicht besteht auch nur dann, wenn ein Haus verkauft oder mit einer Grundschuld (mortgage) belastet wird. Das hat zur Folge, dass auch heute noch etwa ein Viertel des Landes von England und Wales gar nicht im Land Registry auftaucht. Die Eigentümer dieser unregistrierten Grundstücke können ihr Eigentumsrecht also nur (wie früher) durch die Grundstücksurkunde (deed) nachweisen, die also tunlichst nicht verloren gehen sollte. Als Einstieg in das Thema empfiehlt sich die Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ auf der Land Registry Website.

Einen Notar im deutschen Sinn gibt es in England nicht. Der technische Ablauf der Immobilientransaktion ist daher etwas komplizierter (hier eine grafische Übersicht zum Ablauf eines Hauskaufs in England). Während in Deutschland alle Fäden bei einem Notar zusammenlaufen, der den Grundstückskaufvertrag erstellt, beide Parteien berät, dann beurkundet und schließlich die Abwicklung  (Vormerkung, Kaufpreiszahlung, Eintragung im Grundbuch) steuert bzw. überwacht, fehlt diese Koordinierungsfunktion in England. Hier müssen die Vertragsparteien dies, zusammen mit ihren jeweiligen Solicitors, selbst regeln. Wichtigste Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf der Immobilientransaktion ist es deshalb, einen beim Thema Grundstücksübertragung (Conveyancing) erfahrenen und gut organisierten englischen Anwalt zu beauftragen, wobei man auch darauf achten sollte, dass dessen Kanzlei einigermaßen modern arbeitet (eMail!), was nicht bei allen Solicitors selbstverständlich ist.

Da allgemeine gesetzliche Regelungen zu Grundstücksrecht, Hypothek, Grundschuld, Wohnrecht, Nießbrauch etc.  (die in Deutschland alle im Sachenrecht des BGB geregelt sind) in England fehlen, muss hier – wie immer in Ländern mit Common Law Tradition – alles ausführlich und präzise im Vertrag geregelt werden. Man kann eben auf keinen Gesetzestext verweisen. Was der Solicitor zu regeln vergisst, existiert nicht.

Eine Beschreibung des Ablaufs eines Immobilienkaufs (Conveyancing) mit Checklisten und diversen weiterführenden Links findet sich auf dem staatlichen Informationsportal Direct.gov.uk.

Alle Details des Grundstückskaufs zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Aber zwei Begriffe muss man unbedingt kennen und unterscheiden: Freehold ist das umfassendste Recht und entspricht in etwa dem deutschen Grundeigentum. Es bedeutet also, dass der Inhaber (Proprietor) das alleinige Eigentumsrecht an dem Haus sowie dem Grundstück hat; wobei das Objekt aber natürlich mit einer Mortgage (Hypothek, Grundschuld) belastet sein kann. Als frei verfügbares Eigentum kann ein Freehold-Objekt also mitsamt Grund und Boden auf einen Erwerber übergehen. Leasehold entspricht in etwa dem deutschen Erbbaurecht, hier fallen also Eigentum am Gebäude und Eigentum am Grund und Boden auseinander. Beim Leasehold ist man (nur) Eigentümer das Hauses, das Grundstück selbst gehört einem nicht, sondern ist nur – in der Regel für einen langen Zeitraum – gepachtet. Leasehold Häuser können beliebig verkauft werden, aber ohne das Grundstück, auf welchem sie stehen. In England kommt Leasehold sehr viel häufiger vor als Erbpacht in Deutschland, auch Eigentumswohnungen in Großstädten werden häufig als Leasehold verkauft. Was wieder die Eingangsthese bestätigt, dass der Brite sich viel einfacher mit dem Gedanken einer Immobilie auf Zeit anfreunden kann, als der Deutsche, der offenbar das gefühl braucht, dass ihm das Grundstück auch noch in 200 Jahren gehört.

Eine Liste mit Erklärungen weiterer Fachbegriffe zum Immobilienkauf findet sich auf der Website des Londoner Maklers Harrison Ingram (hier).

Apropos Makler. Welche Kosten fallen an? Die Provision für einen Estate Agent ist in England nach unserer Erfahrung erstaunlich niedrig und liegt in der Regel unter den in Deutschland geforderten Margen. Die Anwälte (Solicitors) rechnen in der Regel nach Stunden ab, wobei es im Conveyancing auch üblich ist, dass die Anwälte eine Pauschale bzw. eine Obergrenze anbieten (je nach Komplexität und Hauswert zwischen £900 und £2.500 plus Mehrwertsteuer). Hinzu kommen einige zwingende Behördengebühren: Für den nötigen Auszug aus dem Hypothekar­verzeichnis und weitere Dokumente fallen insgesamt rund £1.000 an. Die Eintragung im Land Registry kostet je nach Hauswert etwa £200 aufwärts. Dann gibt es noch – ja, auch in England – die Grunderwerbssteuer: Objekte unter £60.000 (die gibt es aber nur theoretisch) sind noch steuerfrei, für Immobilien zwischen £60.000 und £250.000 beträgt die Steuer 1 Prozent, zwischen £250.000 und £500.000 2 Prozent und für Objekte über £500.000 sind es 3 Prozent. Und schließlich zahlt ein Engländer noch Council Tax, die von den Gemeinden festgelegt und erhoben wird.

Und wenn dann alles erledigt ist, hält man als stolzer Eigentümer eines englischen Grundstücks dann das Land Certificate, landläufig Deed genannt, in Händen (hier ein anonymisiertes Beispiel als PDF-Download). Auch dort sind weitere rechtliche Erläuterungen zu finden.

Falls Sie bei einer konkreten Immobilientransaktion rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische sowie deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Das Experten-Team deutscher und englischer Anwälte und Steuerberater regelt internationale Erbfälle und wickelt Nachlässe für die Erben in Deutschland, USA, England und anderen Common Law Rechtsordnungen ab.

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