Mythos „sofortige“ Scheidung (Deutschland und UK)

Gibt es eine „sofortige Scheidung“ sie überhaupt? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Ein Vergleich der Scheidungsvoraussetzungen in Deutschland und England

Internet-Foren sind voller herzzerreißender Berichte unglücklicher Ehegatten, zum Beispiel „Kurz nach der Hochzeit alles aus“ oder „Die Hochzeit war ein Fehler“. Nun ja: Irren ist menschlich, auch bei der Partnerwahl. Wer in einer solchen Partnerschaft fest steckt, will in der Regel so schnell wie möglich da raus und die Kurve in ein neues besseres Leben kriegen. Das deutsche Recht verhindert aber überstürzte Scheidungen durch das obligatorische Wartejahr, zumindest ist das die Regel. Gibt es doch die Möglichkeit, sich schneller aus einer Ehe zu lösen? Notfalls im Ausland?

Die Voraussetzungen, unter denen eine Ehe aufgehoben oder – zum Teil auch sofort – geschieden werden kann, sind den meisten europäischen Staaten mittlerweile ähnlich. Dennoch gibt es kleine Unterschiede, die im konkreten Fall das Zünglein an der Waage sein können. Im Folgenden zeigen wir die Unterschiede der Scheidungsregeln zwischen Deutschland und England.

1. Die „sofortige“ Scheidung in Deutschland

Nach der „sofortigen“ Scheidung, der sog. Härtefallscheidung wird im anwaltlichen Alltag häufig gefragt. In Deutschland ist sie aber seit den 70er Jahren sehr selten geworden und nur noch ein Ventil für ganz außergewöhnliche Fälle. Ein solcher Härtegrund wird dann angenommen, wenn das Fortbestehen der Ehe eine unzumutbare Härte für einen der Ehepartner darstellt. Die Begründung der unzumutbaren Härte kann nur mit Umständen von ganz besonderer Bedeutung gelingen. Die Rechtsprechung ist dabei sehr streng.

Diese Gründe müssen weder unbedingt zum Scheitern der Ehe geführt haben, noch müssen sie durch den anderen Partner schuldhaft herbeigeführt worden sein. Wichtig ist jedoch, dass sich die unzumutbare Härte auf das Fortbestehen der Ehe als rechtliche Verbindung, und nicht „nur“ auf die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens bezieht. Daraus wird deutlich, dass es ganz erhebliche Verfehlungen gegeben haben muss, um eine unzumutbare Härte annehmen zu können. Es muss für denjenigen Ehepartner, der sich darauf beruft einfach unerträglich sein, den Ablauf des Trennungsjahres abzuwarten.

Entscheidend ist aber nicht das rein subjektive Empfinden, sondern es muss objektive Gesichtspunkte unterstrichen zu einer Unzumutbarkeit der rechtlichen Verbindung mit dem anderen Partner führen. Ob auch objektiv ein solcher Härtefall vorliegt, hat das Gericht zu entscheiden. Grund dafür ist, dass die Härtefallscheidung eine Ausnahme im Gegensatz zur „normalen“ Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres darstellen soll. Genaueres zu den Scheidungsvoraussetzungen finden Sie im Beitrag „Scheidung besser mit Kaffee oder Tee“.

Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, wann die Rechtsprechung von einer unzumutbaren Härte ausgegangen ist, bzw. diese abgelehnt hat:

Die Eheleute selbst empfinden meist einen Verstoß gegen die eheliche Treue als besondere unzumutbare Härte. In den 60er und 70er Jahren haben die Gerichte in diesen Fällen noch eine unzumutbare Härte gesehen. Nach dem  Wandel der Sittlichkeits- und Moralvorstellungen in den letzten Jahrzehnten ist das aber mittlerweile nicht mehr der Fall. Selbst das andauernde Zusammenleben des einen Ehegatten mit einem neuen Partner wird nicht mehr als Härtefall angesehen, wenn nicht andere tiefgreifende oder entwürdigende Umstände hinzutreten. Auch die öffentliche Hinwendung zu einem homosexuellen Partner lässt die Rechtsprechung alleine nicht ausreichen. Weitere Fälle einer unzumutbaren Härte können schwere Beleidigungen, mehrfache grobe körperliche Verletzungen und dergleichen sein. Kinder aus einer außerehelichen Beziehung reichen nicht mehr ohne weiteres zur Annahme eines Härtegrundes aus.

Wie im Beitrag „Scheidung besser mit Kaffee oder Tee“ erläutert, ist es gerade für binationale Ehepaare wichtig, sich frühzeitig zu überlegen, in welchem Land die Scheidung durchgeführt werden soll. Hier die Basics, wie die Gerichte in England/Wales mit dem Thema „sofortige“ Scheidung bzw. „Härtefall“ umgehen.

2. Sofortige Scheidung in England

Das Herangehen der Engländer an die Scheidung im Allgemeinen ist völlig anders als in Deutschland. Der einzige Scheidungsgrund ist die unwiederbringliche Zerrüttung der Ehe, die nur durch einen der folgenden Sachverhalte bewiesen werden kann (Matrimonial Causes Act 1973, Abschnitt 1 (1) und (2)):

  • Ehebruch des Antragsgegners
  • Verhalten des Antragsgegners das dazu geführt hat, dass dem Antragsteller das Zusammenleben nicht mehr zugemutet werden kann
  • Im-Stich-Lassen über einen zweijährigen Zeitraum durch den Antragsgegner
  • Getrenntleben über zwei Jahre mit Einverständnis des Antragsgegners
  • Getrenntleben über fünf Jahre

Ein Trennungsjahr wie in Deutschland gibt es nicht. Um einen der Scheidungsgründe erfolgreich geltend machen zu können, muss die Ehe zwar mindestens ein Jahr lang Bestand gehabt haben, eine bestimmte Trennungsdauer ist aber nicht erforderlich. Das bedeutet, dass beispielsweise dann, wenn der Antragsgegner den Ehebruch eingesteht, eine Ehe sofort geschieden werden kann. Sollte der Antragsgegner aber nicht geständig sein und der Ehebruch oder das unzumutbare Verhalten auch nicht beweisbar sein, muss im schlimmsten Fall sogar die 5-Jahres-Frist abgewartet werden. Bei dem unzumutbaren Verhalten muss es sich jedoch nicht um einen Härtegrund im Sinne des deutschen Verständnisses handeln. Zudem kommt es im englischen Recht auf die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens und nicht wie in Deutschland auf die Unzumutbarkeit der rechtlichen Verbindung an.

Der Scheidungsantrag selbst ist in England – wie so oft bei Gerichtsverfahren – ein schnödes Formular, das als PDF-Download im Internet steht. Der Ehegatte, der die Scheidung beantragt, heißt „Applicant“, der andere Ehegatte heißt „Respondent“. Die Gerichtsgebühr von derzeit 550 englischen Pfund muss gleichzeitig mit dem Scheidungsantrag beim Familiengericht eingezahlt werden. Spannender und konfliktreicher als die Scheidung selbst ist meist der Aspekt, wer wem Unterhalt oder eine „Anfindung“ zahlen muss. Vor allem bei begüterten Paaren kommt es hier zu massiven Auseinandersetzungen, weil nach englischem Scheidungsrecht der sogenannte „equal split“ die Ausgangsbasis ist, d.h. der ärmere Ehegatte hat prinzipiell Anspruch auf die Hälfte des gesamten Vermögens des reicheren Ehegatten. Hier hat sich allerdings in den letzten Jahren viel getan und die Details rund um „Financial Orders“ und „Ancillary Relief“ sind sehr kompliziert. Wir halten zum englischen Zugewinnausgleich (den es so in Wahrheit gar nicht gibt) regelmäßig Vorträge und Seminare. Details zum Thema Vermögensteilung bei Scheidung in England und wie man eine solche ggf. durch Ehevertrag vermeiden kann, finden Sie hier: Ehevertrag (pre-nuptial) nach englischem Recht

3. Fazit

In bestimmten Konstellationen, nämlich dann, wenn dem Antragsgegner ein (beweisbares) unzumutbares Verhalten oder speziell ein Ehebruch zur Last gelegt werden kann, gelangt man in England zu einer schnellen Scheidung. Gelingt dieser Weg aber nicht, kann man sich auf eine wesentlich längere Wartezeit als in Deutschland einstellen. Denn insbesondere in den Fällen der einvernehmlichen Scheidung nach zweijährigem Getrenntleben und in Fällen des fünfjährigen Getrenntlebens kann der Antragsgegner ein endgültiges Urteil aufhalten bis die finanziellen Folgen geklärt sind.

Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), der seit 2001 auf die Abwicklung deutsch-britischer Rechtsfälle spezialisiert ist.