Dienstleistungen erbringen in England nach Brexit

Seit 2021 gilt keine Dienstleistungsfreiheit mehr zwischen Deutschland und UK

Können deutsche Dienstleister (Service Provider) nach dem endgültigen Brexit weiterhin Aufträge von Kunden im Vereinigten Königreich annehmen? Der berühmte Brexit-Deal in letzter Minute erfasst ja primär den Warenhandel, nicht jedoch die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen zwischen EU-Mitgliedsländern und Großbritannien.

Dürfen deutsche Firmen, Selbstständige und Freiberufler also nach dem 1.1.2021 weiterhin Dienstleistungen in UK anbieten und Aufträge annehmen? Ist es erlaubt, Dienstleistungsaufträge für Kunden mit Sitz in UK von Deutschland aus anzunehmen und solche Services von Deutschland aus zu erbringen, also etwa eine Firmenwebsite für ein britisches Unternehmen zu designen und zu hosten?

Dürfen deutsche Berater, Consultants und Coaches in England Seminare, Kurse oder Fortbildungsveranstaltungen anbieten und durchführen?

Unter welchen Voraussetzungen, wenn überhaupt, darf ein deutscher Handwerksbetrieb (Maler, Schreiner, Installateur, Spediteur usw.) Mitarbeiter nach England schicken und dort Maschinen warten, Heizungen installieren, Wohnungsumzüge durchführen oder Autos reparieren?

Wo ist das Recht der Dienstleistungen nun geregelt?

All diese Fragen werden aus Sicht der Briten nunmehr ausschließlich durch britisches Recht geregelt und das Grundprinzip ist, dass Genehmigungen (Authorisations) und Zulassungen (Licenses) erforderlich sind. Besonders streng sind die Anforderungen natürlich für Freiberufler wie Rechtsanwälte, Architekten usw.

Die Details zur Erbringung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich ab 1.1.2021 finden sich im 40-seitigen Leitfaden

Für welche Dienstleistungsbranche man in England, Wales und Schottland ab 2021 konkret welche Genehmigungen und Zulassungen benötigt, kann man im „License Finder“ online recherchieren.

Dort kommt man allerdings leicht von Hölzchen auf Stöckchen und verliert sich im Dickicht der britischen Verwaltungsbürokratie.

Viele deutsche Unternehmer kommen auf die Idee, selbst eine Niederlassung oder Tochterfirma in England zu etablieren. Das mag in bestimmten Konstellationen durchaus sinnvoll sein, eröffnet allerdings einige weitere rechtlichen Fragen. Zum Beispiel, ob und unter welchen Voraussetzungen ein deutscher Unternehmer Geschäftsführer (Director) seiner englischen Limited Company sein darf.

Einfache Antworten gibt es zu alldem leider nicht und die Dienstleistungsunternehmen werden mit etlichen Unsicherheiten und bürokratischen Hürden zu kämpfen haben. Über die kommenden Monate und Jahre wird es voraussichtlich auch viele Änderungen und Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen geben.

Als Praktiker, der sich seit 20 Jahren mit deutsch-britischen Rechtsfragen befasst, gebe ich für die nächsten Monate daher ab und an auch den (inoffiziellen) Tipp: Wer lang frägt, geht lang irr! Die britischen Behörden sind derzeit heillos überlastet. Auf schnelle und klärende Antworten auf Anfragen bei britischen Behörden sollte man derzeit nicht hoffen. Je nach Branche und Fallkonstellation kann der Rat – nach einer gewissen Risikoabschätzung – daher auch sein: act now, ask later.

Für konkrete juristische Beratung in britisch-deutschen Rechtsangelegenheiten stehen wir, die Kanzlei Graf & Partner, und unsere englische Partnerkanzlei Buckles Solicitors gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England).