Muss ein Zeuge im Zivilprozess zum Verhandlungstermin kommen?

Selbst wenn klar ist, dass er sein Zeugnisverweigerungsrecht ausüben wird?

Das Ergebnis gleich vorweg: Nein, ein Zeuge, der sich bereits entschieden hat, vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, etwa weil er mit einer Prozesspartei verlobt, verheiratet oder verwandt ist (§ 383 ZPO), muss trotz gerichtlicher Ladung nicht zum Verhandlungstermin erscheinen. Der Zeuge muss dies dem Gericht aber rechtzeitig vorher schriftlich mitteilen, also per Brief oder Fax. Ein bloßer Telefonanruf beim Gericht genügt nicht, selbst wenn ein Gerichtsmitarbeiter oder gar der Richter / die Richterin hierüber eine Aktennotiz erstellt.

Aus dieser schriftlichen Mitteilung des Zeugen an das Gericht muss hervorgehen, dass und warum der Zeuge ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, dass er dieses ausübt und daher nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung erscheinen wird. Also zum Beispiel so:

„Ich, Susanne Meier, Siegerstraße 1, 12345 Siegdorf, habe eine Ladung im Zivilverfahren Huber ./. Meier, Az. 6 O 111/2023, erhalten und soll als Zeugin über die Vorfälle am xx in yy aussagen. Ich bin die Ehefrau des Beklagten und berufe mich auf mein Zeugnisverweigerungsrecht. Ich möchte in dem Verfahren nicht aussagen und werde daher auch nicht zum Verhandlungstermin am … erscheinen. Datum / Unterschrift

Geht eine solche Erklärung dem Gericht rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin zu, muss der Zeuge nicht kommen. Dies steht in § 386 Abs. 3 ZPO.

In Konstellationen, in denen es nicht ganz so eindeutig ist, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht, zum Beispiel bei Journalisten, wenn unklar ist, ob bei dem konkreten Zivilprozess die Voraussetzungen des § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vorliegen, entscheidet das Gericht auf Antrag durch Zwischenurteil über die Frage, ob das Zeugnisverweigerungsrecht ausgebübt werden kann oder nicht (§ 387 ZPO).

Fazit: Ein Zeuge muss keinen halben Tag opfern, um zu einer Verhandlung zu erscheinen und eine Stunde auf dem Gerichtsflur zu sitzen, wenn bereits völlig klar ist, dass er oder sie ohnehin nicht aussagen will und sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann.

Achtung: In diesem Beitrag geht es um Zivilprozesse! Für Zeugen in einem Strafverfahren gelten andere Regeln!

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für Zivilprozesse in Deutschland und England (GP lLitigation) auf grenzüberschreitende Streitfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, Master of Laws (Leicester, England), hat gute 20 Jahre Erfahrung als Prozessanwalt und ist zudem Experte für deutsch-englisches Recht. Er ist Autor des Praxishandbuchs „Der Zivilprozess in England