Strafprozess in England & Wales

Der Ablauf eines Gerichtsverfahrens in Strafsachen in England

Der zentrale Unterschied zwischen Strafrechtsprozessen in Deutschland und England ist die Jury, die in vielen Common Law Rechtsordnungen die Schuldfrage entscheidet. Nur in Bagatellfällen entscheidet der Richter allein.

Etwas vereinfacht: In allen Strafverfahren in England & Wales (anders in Schottland), bei denen eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten in Betracht kommt, also bei „serious offences“, verweist der Magistrate’s Court den Fall an den Crown Court of England and Wales. Verhandelt wird an einem der gut 90 Gerichtsstandorte, die über die sieben „Regions“ verteilt sind: Midlands, North East, North West, South East, South West, London and Wales. Der Crown Court am Standort London heißt Central Criminal Court.

Eine weitere Besonderheit im Vergleich zum deutschen Strafprozessrecht ist, dass sowohl auf Seiten der Staatsanwaltschaft (Prosecution) als auch bei der Verteidigung die juristischen Beistände unterschieden werden in Barrister und Solicitors. Der englische Crown Prosecution Service (CPS), nur eingeschränkt vergleichbar mit der deutschen Staatsanwaltschaft, verhandelt die Strafverfahren also nicht mit „eigenem Personal“, sondern beauftragt einen externen Barrister damit, den Fall vor Gericht mündlich vorzutragen und die Zeugen zu befragen. Der Mitarbeiter des CPS sitzt hinter dem Barrister und ist nur unterstützend tätig. Ähnlich auf Seiten der Verteidigung. Der Strafverteidiger-Solicitor ist der Hauptansprechpartner des Angeklagten, der die Hauptarbeit erledigt. Der Strafverteidiger-Barrister liest die Prozessakte oft erst einen Tag vor der Verhandlung.

Der Spielfilm-Klassiker „Zeugin der Anklage„, in dem Charles Laughton als Barrister der Verteidigung intensiv recherchiert, vermittelt insoweit ein unrealistisches Bild von der tatsächlichen Rolle des Barristers in den meisten Fällen (es sei denn, der Angeklagte kann sich einen Top-Barrister für 800 Pfund die Stunde leisten und ist bereit, diesen auch außerhalb des Prozesssaals zu bezahlen).

Das Strafprozesswesen ist in England scharfer Kritik ausgesetzt. Es gilt als krass unterfinanziert, archaisch (Stichwort Perücken), viel zu langsam und ungerecht (siehe diesen Beitrag in The Guardian).

Die verschiedenen Akteure und deren Rollen in einem englischen Strafverfahren erklärt dieses Video der University of Derby

Informationen zu Zivilverfahren in England & Wales finden Sie in diesem Video hier

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