Mandant erbt ein USA-Grundstück mit der Adresse „East Avenue H, Los Angeles County“. Klingt super. Ist aber ein Albtraum.

Wir sind auf deutsch-britisches und deutsch-amerikanisches Erbrecht spezialisiert. Daher wickeln wir viele internationale Erbfälle und Nachlassvermögen ab. Meistens ist es für unsere Mandanten eine frohe Botschaft, wenn sie davon erfahren, eine Immobilie in Großbritannien oder in den USA geerbt zu haben. Vor allem, wenn das Grundstück in einer Metropole wir London, New York oder Los Angeles liegt.

Doch es gibt auch Ausnahmen, bei denen sich der vermeintliche Glücksfall einer Erbschaft kurz darauf als Albtraum aus Grundsteuern, Anwaltskosten und Gerichtsgebühren entpuppt. Hier ein reales Beispiel aus unserer Kanzleipraxis (mit leicht verfremdeten Daten):

Ein deutscher Zahnarzt verstirbt in München. Er ist verwitwet und hinterlässt alles seinem einzigen Sohn auf Basis eines deutschen notariellen Testaments. Der Sohn findet in den Nachlass-Unterlagen seines Vaters einen US-amerikanischen Immobilien-Kaufvertrag (Agreement of Sale) aus dem Jahr 1970 über ein Grundstück in Los Angeles County mit der Adresse „E. Avenue H“. Gekauft vom Vater damals für 20.000 US$. Seine Augen beginnen zu leuchten. Schließlich klingen „Avenue“ und „Los Angeles“ nach Edel-Einkaufsmeile, Hollywood und Sonne. Es wundert ihn nur, dass der Vater diese US-Immobilie in Kalifornien nie erwähnt hat. Der Kaufpreis klingt aus heutiger Sicht zwar nicht exorbitant, aber 1970 war der Dollar ja noch einiges Wert und man muss knapp 50 Jahre Inflation bedenken.

Da der Sohn nicht allzu gut Englisch spricht und natürlich auch nicht weiß, wie er den Erbnachweis in USA führen soll, kommt er in unsere Kanzlei und bittet mich darum, das Grundstück in Kalifornien auf seinen Namen umschreiben zu lassen und herauszufinden, welchen Wert das Grundstück denn heute hat.

Mir schwant nichts Gutes.

Nun ist es in den meisten US-Bundesstaaten so, dass Grundbuchinformationen für jedermann online einsehbar sind, ohne dass man ein berechtigtes Interesse angeben muss. Für Los Angeles County geht man hierfür beispielsweise auf die Website „Property Assessment Information System. Dort kann man dann entweder die Adresse oder die Grundsteuer ID-Nummer (Assessor’s ID Number) des Grundstücks eingeben. Nehmen wir zum Beispiel die Nummer 3358006070 (das ist nicht die meines tatsächlichen Mandanten, aber ein vergleichbares Grundstück). Dann erscheint auf dem Monitor das obige Bild vom Anfang unseres Artikels.

Und schon wird einem klar, warum der Vater Zeit seines Lebens nichts über das Grundstück in Südkalifornien erzählt hat: Es war ihm peinlich. Denn er ist seinerzeit Betrügern aufgesessen.

Konkret trieb Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre eine Firma namens „International Computerized Land Reserach (ICLR)“ mit Sitz auf den Bahamas ihr Unwesen. Diese kaufte völlig wertlose Parzellen Wüstenland in USA (und anderswo), druckte Prospekte, in denen behauptet wurde, dass sich die Stadt Los Angeles in absehbarer Zeit so stark vergrößern würde, dass diese Grundstücke zu Stadtgebiet und damit Bauland würden, und verkaufte die Parzellen an gutgläubige Privatinvestoren, unter anderem in Deutschland. Die Betrugsmasche schaffte es sogar in ein Buch.

Da es zu dieser Zeit noch kein Internet mit Google-Earth gab, konnte man sich – im Unterschied zu heute – damals noch nicht mit einem Mausklick von der Absurdität dieser Behauptung überzeugen.

Nun denn: Mein Mandant starrt fassungslos auf den Monitor mit dem Satellitenfoto seines geerbten Fleckchens kalifornischen Wüstensandes. Als nächstes zeige ich dem Mandanten, dass man sich auf dem Online-Grundbuch von Kalifornien auch anzeigen lassen kann, ob und zu welchem Preis benachbarte Grundstücke in den letzten Monaten und Jahren verkauft wurden (einem vom Gedanken des Datenschutzes durchwirkten deutschen Rechtsanwalt erscheint so viel Transparenz wie in den USA und übrigens auch in Großbritannien natürlich befremdlich). Das Ergebnis ist ernüchternd: Es gab so gut wie keine Verkäufe und die wenigen, die stattfanden, erfolgten zu minimalen Kaufpreisen.

Ab jetzt ist das Thema „geerbtes Grundstück in Los Angeles County“ nur noch negativ behaftet: Der Mandant muss nämlich Geld für die Beantragung eines kalifornischen Nachlasszeugnisses ausgeben (der Begriff Erbschein passt in anglo-amerikanischen Rechtsordnungen streng genommen nicht). Dann muss er das Grundstück auf sich umschreiben lassen, was Gebühren, Beglaubigungs- und Kurierkosten auslöst. Da er in den USA für sein Stück Wüste jährlich Grundsteuer (Property Tax) von immerhin 145 US$ zahlen muss, will der Mandant es so schnell wie möglich verkaufen. Die meisten Makler, die wir diesbezüglich kontaktieren, winken jedoch ab. Nicht einmal zum symbolischen Dollar gibt es bislang einen Kaufinteressenten. Wir denken über die Erbausschlagung nach, was allerdings nicht ganz banal ist, weil der Mandant die Erbschaft in Deutschland bereits angenommen hat.

Fazit: Falls ein Leser dieses Beitrags schon immer ein trockenes Stück Kalifornien sein Eigen nennen wollte und es ihm der Spaß Wert ist, dafür pro Jahr Grundsteuer zu zahlen, hätten wir eine Parzelle im Angebot. Schließlich gibt es auch Menschen, die sich eine Parzelle auf dem Mond „kaufen“. Wer dagegen ein Grundstück in den USA bevorzugt, das auch tatsächlich erschlossen ist, sollte sich vorab genau informieren, was er da eigentlich erwirbt.

Falls Sie ein Rechtsproblem in Amerika haben und einen Attorney at Law benötigen, fragen Sie uns gerne.

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Das deutsch-britische Anwaltsteam der Kanzlei Graf & Partner löst seit 2003 deutsch-britische und deutsch-amerikanische Rechtsfragen. Die Prozessabteilung GP Chambers berät und vertritt deutsche, britische und US-amerikanische Unternehmen in Arbitrationverfahren wie in Gerichtsprozessen.

Infos zu US-amerikanischen Rechtsfragen, Vertragsgestaltung US-Style und Abwicklung deutsch-amerikanischer Erbfälle in diesen Posts:

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