Brexit und die Handelsvertreter-Falle

Verlieren deutsche Handelsvertreter nach Brexit ihren Ausgleichsanspruch?

Das Austrittsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union steht nach wie vor auf der Kippe. Entscheidet sich das britische Parlament am 15. Januar gegen das Abkommen von Theresa May, wonach es derzeit aussieht, droht zum 30.3.2919 der „No Deal Brexit“, also die sofortige Trennung Großbritanniens vom europäischen Binnenmarkt mit den damit verbundenen Unsicherheiten und vermutlich chaotische Verhältnissen in vielen Bereichen des Geschäftslebens.

Auswirkungen des Brexit auf Handelsvertreterverträge

Die gute Nachricht vorweg: Auf alle zum Brexit-Stichtag bereits bestehende Handelsvertreterverträge hat der Brexit – egal in welcher Form – zunächst keine negativen Auswirkungen, was die weitere Durchführung des Handelsvertretervertrags angeht. Da für Nebenkosten wie Verpackung, Fracht, Zoll und Steuern ohnehin der Unternehmer verantwortlich ist, haben etwaige Begleiterscheinungen des Austritts aus dem gemeinsamen Binnenmarkt insbesondere auf die Provision des Handelsvertreters keinen direkten Einfluss.

Problematisch wird es aber dann, wenn der Handelsvertretervertrag beendet wird. Dann kann es für den Handelsvertreter im Hinblick auf den Ausgleichsanspruch zu bösen Überraschungen kommen. Der dem Handelsvertreter bei Beendigung des Vertrags nach deutschem Recht zustehende Ausgleichsanspruch kann durch Brexit in bestimmen Konstellationen nämlich ersatzlos wegfallen. Wenn man bedenkt, dass der Ausgleichsanspruch nicht selten eine fünf- bis sechsstellige Summe erreicht, kann dies im Einzelfall existenzvernichtend sein.

Hiervon nicht betroffen sind Handelsvertreter, deren Verträge nach englischem Recht geschlossen wurden. Hier gilt die englische Rechtslage einfach fort. Da das derzeitige englische Handelsvertreterrecht (siehe hier) einen Ausgleichsanspruch nach ähnlichen Maßstäben vorsieht wie das deutsche Recht, ist man in diesen Fällen weiterhin auf der sicheren Seite.

Etwas anderes gilt aber für Handelsvertreterverträge, die dem deutschen Recht unterliegen. Falls hier der Unternehmer versucht hat, im Vertrag einen Ausgleichsanspruch auszuschließen, so war das bislang schlicht unwirksam, denn es galten – unabhängig von den im Vertrag enthaltenen Klauseln – in jedem Fall die Mindestvorschriften des § 89b HGB. Eine Kürzung oder der gänzliche Ausschluss des Anspruchs sind nach Abs. (4) dieser Norm nicht möglich.

Gemäß § 92c HGB ist diese Vorschrift jedoch nur innerhalb des Gebietes der EU oder des EWR zwingend. In sog. Drittstaaten, zu denen nach Vollzug des Brexits auch Großbritannien gehört, kann der Unternehmer von diesen Vorschriften abweichen und damit den Ausgleichanspruch ausschließen.

Es empfiehlt sich daher sowohl neue also auch bereits bestehende Handelsvertreterverträge bis zum 29.03.2019 genau zu überprüfen und ggf. nachzuverhandeln. Ein derzeit noch rechtswidriger Ausschluss des Ausgleichsanspruchs kann ab 30.03.2019 unter Umständen wirksam sein.

 

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