Homosexuelle Paare haben in England die Wahl zwischen „Eingetragener Partnerschaft“ und „echter Ehe“
Da es in England kein Zivilgesetzbuch gibt, fehlt auch eine gesetzliche Definition des Rechtsbegriffs „Ehe. Seinerzeit (1866) definierte Lord Penzance im Verfahren Hyde v. Hyde (LR 1 P&D 130) die Ehe als:
„freiwillige, lebenslängliche Vereinigung eines Mannes und einer Frau unter Ausschluss jeder anderen Personen“
Diese historische Definition war hinsichtlich des „lebenslänglich“ schon seit jeher nur ein Programmsatz und ist nun spätestens seit Öffnung der „normalen“ Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare durch den Marriage (Same Sex Couples) Act 2013 (hierzu unten im Detail) endgültig überholt. Eine moderne Definition versucht Lord Justice Thorpe im Verfahren Bellinger v. Bellinger [2001] 2 FLR 1048, Rd. 128:
„a contract for which the parties elect but which is regulated by the state, both in its formation and in its termination in divorce because it affects status upon which depend a variety of entitlements, benefits and obligations.”
Also ein „staatlich geregelter Vertrag“ zwischen zwei Parteien. Eine etwas unromantische Definition.
Was bewirkt die Eheschließung in England & Wales?
Was sind nun eigentlich die konkreten rechtlichen Folgen einer Heirat nach englischem Recht? Hinsichtlich des Vermögens jedes Ehegatten erst mal gar keine, denn eheliche Güterstände nach deutschem Verständnis (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft) existieren im englischen Recht nicht. Jedem Ehegatten gehört weiterhin sein Vermögen, das dieser auch allein verwaltet. Der Family Law Act 1996 gewährt in Teil IV lediglich ein Wohnrecht (home right) im Familienheim (matrimonial home), auch wenn dies allein einem Ehegatten gehört.
Aus deutscher Sicht leben englische Ehepaare somit, auch wenn weder dieser Begriff noch das Rechtskonzept dort existieren, faktisch in Gütertrennung. Jedem Ehepartner gehört das in die Ehe eingebrachte Vermögen weiterhin allein. Das während der Ehe erworbene Vermögen gehört nur dann beiden Ehegatten gemeinsam, wenn sie das so vereinbaren oder sich dies aus den konkreten Umständen ergibt. Ansonsten ist der Regelfall, dass die während der Ehe erworbenen Gegenstände demjenigen Ehegatten gehören, aus dessen Mitteln sie bezahlt wurden. Konsequenterweise haften Eheleute auch nicht für die Schulden des jeweils anderen.
Steuervorteile für Verheiratete in Großbritannien?
Auch bei der Einkommensteuer gibt es keine Vorteile, insbesondere existiert in Großbritannien keine dem deutschen Ehegattensplitting vergleichbare Regelung. Erhebliche Vorteile bestehen allerdings hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (capital gains tax) sowie bei der Erbschaftsteuer (inheritance tax). Übertragungen an den Ehegatten sind hier völlig steuerfrei (unlimited spouse exemption), jedenfalls wenn beide Ehegatten ihr domicile in UK hatten (unsicher ist, ob der unbeschränkte Ehegattenfreibetrag auch gilt, wenn ein Ehegatte sein domicile in UK, der andere sein domicile außerhalb des UK hatte). Die völlige Steuerfreiheit bei der Vererbung an den Ehegatten hat wegen der hohen britischen Erbschaftsteuer von 40% eine enorm hohe Praxisrelevanz. Ausführliche Informationen zur Erbschaftsteuer in England sowie zur Anrechnung der Erbschaftssteuer zwischen Großbritannien und Deutschland hier.
Eingetragene Partnerschaft und Homo-Ehe im Vereinigten Königreich
Als Pendant zur herkömmlichen Ehe wurde für homosexuelle Paare durch den Civil Partnership Act 2004 mit Wirkung zum 5.12.2005 die eingetragene Lebenspartnerschaft (civil partnership) eingeführt, die (nur) gleichgeschlechtlichen Paaren offen steht. Die Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft sind im Wesentlichen spiegelbildlich zu denen der Ehe.
Trotz im Wesentlichen gleicher Rechte zwischen Ehe (marriage) und eingetragener Lebenspartnerschaft (civil partnership) wurde die unterschiedliche Bezeichnung weiterhin als diskriminierend empfunden. Im Jahr 2013 wurde deshalb der Marriage (Same Sex Couples) Act verabschiedet, der den Matrimonial Causes Act 1973 insoweit modifiziert, dass die „echte“ Ehe nun auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen steht. Diese Möglichkeit wird in der Praxis auch ausgiebig genutzt. Laut offizieller Statistik entfallen rund 3% aller Eheschließungen in England & Wales auf gleichgeschlechtliche Paare.
Die civil partnership besteht daneben fort und wird künftig (siehe Civil Partnerships, Marriages and Deaths (Registration etc) Act 2019) wohl auch für heterosexuelle Paare zugänglich sein, da diese Öffnung im Verfahren Steinfeld and Keidan v. Secretary of State for Education ([2017] EWCA Civ 81) eingeklagt wurde. Sogar die Öffnung der civil partnership für Geschwister wird diskutiert (siehe House of Commons Library Briefing Paper nr. 07856 “The future of civil partnership” vom 13.3.2019).
Sowohl bei der klassischen Ehe, wie auch bei der eingetragenen Partnerschaft empfiehlt es sich, über einen Ehevertrag nachzudenken, vor allem wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse stark auseinanderfallen. Umso mehr, wenbn es sich um eine internationale Ehe handelt, die Partner also verschiedene Nationalitäten haben. Denn im Fall der Scheidung gilt das sogenannte „Equal-Split-Prinzip“, das heißt der reichere Partner ist die Hälfte seines kompletten Vermögens los, inklusive erhaltener Erbschaften und Schenkungen. Details dazu hier.
Nichteheliche Lebensgemeinschaft in Großbritannien
Die bloße nichteheliche Lebensgemeinschaft, also das dauerhafte Zusammenleben (cohabitation) außerhalb einer Ehe oder einer Civil Partnership, regelt das englische Familienrecht nicht. Eine solche faktische Lebensgemeinschaft, egal ob heterosexuell oder gleichgeschlechtlich, kann aber im Bereich des Sozialleistungsrechts Bedeutung erlangen. Zudem entstehen nach englischem Common Law unter Umständen Ansprüche durch Nutzung einer Immobilie (siehe hier).
Erstaunlicherweise können bloße nichteheliche Lebenspartner aber erbrechtliche Ansprüche auf Versorgungsleistungen gegen den Nachlass besitzen, wenn der Lebensgefährte vom Verstorbenen vor dessen Tod finanziell abhängig (dependent) war, siehe Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975, s. 1(1)(e).
Wenn Paare, die sehr unterschiedliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse haben, ohne Trauschein zusammenleben, empfiehlt sich in Großbritannien ein sogenannte „cohabitation agreement“, auch wenn es extrem unromantisch ist.
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Cross Channel Lawyers ist ein Netzwerk von Anwälten, die auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Rechtsfälle spezialisiert sind. Gegründet 2003 von Graf & Partner und deren Prozessrechtsabteilung. Die Familienrechtsabteilung berät internationale Paare – selbstverständlich auch LGBT-Paare – bei Fragen rund um die Themen Eheverträge und – wenn nötig – internationale Scheidung. Rechtsanwalt Schmeilzl verfasst den Länderbericht „Familienrecht England & Wales“ im BGB-Kommentar des NOMOS Verlags und ist ausgewiesener Fachmann insbesondere für die Themen deutsch-englischer Ehevertrag sowie deutsch-britische Scheidung. Mehr zum englischen Familienrecht hier
Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Partnerkanzlei gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 463 7070.