Kann man englische 2-Zeugen-Testamente beim Nachlassgericht hinterlegen?

Muss das deutsche Amtsgericht Testamente in die amtliche Verwahrung nehmen, auch wenn diese nicht handschriftlich erstellt sind?

In Deutschland wohnen zehntausende britische Staatsbürger, entweder vorübergehend (als Expats) oder dauerhaft. Früher oder später stellt sich auch für diese Briten in Deutschland die Frage nach einem Testament. Die Briten haben dabei – noch mehr als Deutsche – die Qual der Wahl, wie sie ihr Testament erstellen möchten.

1) Ein Testament beim Notar geht natürlich immer. Allerdings hat das für Briten, die auch noch Vermögen in UK haben, den Nachteil, dass in Deutschland später kein Erbschein erteilt wird. Diesen Erbschein überflüssig zu machen, ist ja gerade der Clou des deutschen notariellen Testaments (auch öffentliches Testament genannt, wobei das natürlich nicht bedeutet, dass es für jedermann öffentlich einsehbar ist).

Allerdings macht die Entscheidung für ein deutsches notarielles Testament später wiederum die Erteilung eines UK-Nachlasszeugnisses (Grant of Probate oder Letter of Administration) komplizierter, weil der englische Nachlassrichter nach dem Erbschein aus dem Land des gewöhnlichen Aufenthalts fragen wird. Briten, die Vermögen sowohl in Deutschland wie auch in UK haben, sollten sich das also gut überlegen. Deren Erben müssen dann nämlich später entweder zähneknirschend doch einen (aus deutscher Sicht völlig überflüssigen) deutschen Erbschein beantragen und bezahlen, oder aber ein kurzes Rechtsgutachten (Legal Affidavit) eines deutschen Anwalts vorlegen, der die Sachlage für den englischen Nachlassrichter erklärt.

2) Ein eigenhändiges Testament geht natürlich auch. Ein solches wird übrigens dann auch in UK anerkannt – unabhängig von der EU-Erbrechtsverordnung, also auch nach Brexit. Warum erkläre ich hier:

Das englische Zwei-Zeugen-Testament

 

3) Ein solches eigenhändiges Testament ist für Briten aber ungewohnt und nicht beliebt. Deshalb entscheiden sich viele unserer britischen Mandanten für eine dritte Lösung: Ein computergeschriebenes Testament nach englischen Formvorschriften, also ein Testament mit zwei (England) oder drei (Schottland) Zeugen. Aber widerspricht das nicht den deutschen Formerfordernissen für ein Testament? Ja, schon, aber: Briten in Deutschland können ein Testament nach den Formalia in England oder Schottland erstellen.

Dies gestattet Art. 27 der EU-Erbrechtsverordnung:

Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen
(1) Eine schriftliche Verfügung von Todes wegen ist hinsichtlich ihrer Form wirksam, wenn diese: (…) (b) dem Recht eines Staates entspricht, dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bzw. des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes angehörte, (…)

Britische Staatsangehörige können also in jedem Land, in dem die EU-Erbrechtsverordnung gilt, ein Testament nach den Formvorschriften ihres britischen Heimatlandes erstellen. Ob in deutscher Sprache oder in englischer Sprache ist völlig egal, beides ist wirksam.

Hinterlegung beim deutschen Nachlassgericht?

Aber können die Briten in Deutschland ein solches maschinengeschriebenes und von zwei (drei) Zeugen bestätigtes Testament dann auch beim deutschen Nachlassgericht hinterlegen, also in die amtliche Verwahrung geben? Gerade britische Expats, britische Ehepaare oder Familien haben ja das Problem, dass sie in Deutschland sonst keine Verwandten haben, denen sie für den Ernstfall anvertrauen können, wo im Haus oder in der Wohnung sie das Original-Testament verwahren. Eine amtliche Hinterlegung ist für Ausländer in Deutschland also besonders relevant.

Die Hinterlegung eines Testament regelt § 346 FamFG wie folgt:

(1) Die Annahme einer Verfügung von Todes wegen in besondere amtliche Verwahrung sowie deren Herausgabe ist von dem Richter anzuordnen und von ihm und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemeinschaftlich zu bewirken.
(2) Die Verwahrung erfolgt unter gemeinschaftlichem Verschluss des Richters und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
(3) Dem Erblasser soll über die in Verwahrung genommene Verfügung von Todes wegen ein Hinterlegungsschein erteilt werden; bei einem gemeinschaftlichen Testament erhält jeder Erblasser einen eigenen Hinterlegungsschein, bei einem Erbvertrag jeder Vertragschließende.

Nun, auf den ersten Blick ist das doch gar kein Problem. Eine englisches Zwei-Zeugen-Testament ist eine Verfügung von Todes wegen.

Manche deutsche Amtsgerichte weigern sich

Nach unserer praktischen Erfahrung handhaben die deutschen Amtsgerichte das aber ganz unterschiedlich: Manche Nachlassgerichte nehmen auch britische Zeugentestamente in die amtliche Verwahrung. manche allerdings weigern sich strikt und berufen sich dabei auf § 347 Abs. 1 FamFG, der im Unterschied zu § 346 FamFG nun plötzlich von „eigenhändigen Testamenten“ spricht:

(1) Nimmt das Gericht ein eigenhändiges Testament oder ein Nottestament in die besondere amtliche Verwahrung, übermittelt es unverzüglich die Verwahrangaben im Sinne von § 78d Absatz 2 Satz 2 der Bundesnotarordnung elektronisch an die das Zentrale Testamentsregister führende Registerbehörde. Satz 1 gilt entsprechend für eigenhändige gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge, die nicht in besondere amtliche Verwahrung genommen worden sind, wenn sie nach dem Tod des Erstverstorbenen eröffnet wurden und nicht ausschließlich Anordnungen enthalten, die sich auf den mit dem Tod des Erstverstorbenen eingetretenen Erbfall beziehen.

So schickte vor wenigen Wochen erst das AG Dachau unseren seit 10 Jahren in Deutschland lebenden englischen Mandanten wieder nach Hause, weil es kein eigenhändiges handschriftliches Testament sei.

Was gilt nun?

In den FamFG-Kommentaren findet man zu diesem Problem wenig bis nichts. Aus meiner Sicht muss man § 346 I FamFG aber EU-Recht-konform auslegen und „Verfügung von Todes wegen“ auf alle Testamente erweitern, die nach Art. 27 EU-ErbVO wirksam sind.

Zudem enthält § 347 Abs. 1 FamFG nur spezielle Anordnungen über die Meldung an das Zentrale Testamentsregister (ZTR). Die grundsätzliche Entgegennahmepflicht regelt die vorherige Norm § 346 FamFG, die eben gerade allgemein von „Verfügungen von Todes wegen“ spricht, nicht nur von eigenhändigen Testamenten.

Ein weiteres Argument liefert diese Vergleichsbetrachtung: Wird das Testament vor einem deutschen Notar mit zwei Zeugen errichtet, dann kann es der deutsche Notar nach § 346 Abs. 1 FamFG unstreitig in einem Umschlag verschlossen beim Amtsgericht abliefern und niemand erfährt den Inhalt, bis es später irgendwann eröffnet wird. Warum soll das also nicht auch bei einem UK-Style-Testament gehen?

Nun ja, dies ist wohl ein klassisches Beispiel für den Spruch: zwei Juristen, drei Meinungen. Verbindlich gerichtlich entschieden ist diese Frage bislang meines Wissens nicht. In der täglichen Praxis kann es daher gut sein, dass manche Amtsgerichte sich weigern, ein maschinengeschriebenes Testament in die amtliche Verwahrung zu nehmen, auch wenn es die Formerfordernisse des Heimatstaates des Testamentserstellers erfüllt. EU-Recht hin oder her. In solchen Fällen sollte man sich beschweren und den Fall am jeweiligen Gericht eskalieren. Oder eben doch zum Stift greifen und sein Testament eigenhändig erstellen.

Weitere Informationen zum englischen Erbrecht und dem Erfordernis eines englischen Erbscheins finden Sie in den Beiträgen der Rubrik „Erbrecht & Testament“  sowie in dem Beitrag „Muster-Testament bei Vermögen im Ausland“.

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Rechtsanwalt Schmeilzl und Solicitor Jelowicki sind Experten für deutsch-englisches sowie deutsch-amerikanisches Erbrecht und agieren auch in vielen Fällen als Nachlassabwickler (Executors & Administrators) für deutsch-britische oder deutsch-amerikanische Erbfälle.

Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England).