Wie vereinbaren Parteien einen Verjährungseinredeverzicht nach englischem Recht?

Wenn Vertragsparteien über juristische Ansprüche streiten, kann das manchmal ein paar Jahre dauern, etwa weil schwierige Sachverhalte geklärt werden müssen oder weil die CEO’s der Unternehmen Business-Aspekte abwägen wollen. Irgendwann warnt dann die Rechtsabteilung, dass nun bald Verjährung droht, wenn man den Anspruch nicht einklagt. In Deutschland können sich die Parteien in solchen Fällen relativ leicht mehr Zeit verschaffen, indem sie eine Verjährungsvereinbarung treffen, genauer gesagt eine Vereinbarung über die Verlängerung der Verjährungsfrist. Oder eine Vereinbarung über die Nichterhebung der Verjährungseinrede, entweder für immer (selten) oder bis zu einem bestimmten Datum. Die Geschäftspartner können dann weiter über eine gütliche Einigung verhandeln, ohne eine teure, zeitaufwändige und das Klima zwischen den Parteien vergiftende Zivilklage erheben zu müssen.

Wie machen das die britischen Juristen? Zunächst einmal: Welche Verjährungsfristen und Klageerhebungsfristen in Großbritannien gelten, regelt der Limitation Act 1980. Verglichen mit Deutschland sind die Verjährungsfristen nach englischem Recht meist erheblich länger. Ansprüche aus einfachen Verträgen (simple contracts) verjähren nach sechs Jahren, Ansprüche aus formellen schriftlichen Verträgen (Deeds) sogar erst nach zwölf Jahren. Details zu den Verjährungsfristen in UK hier. Trotz dieser längeren Verjährungsfristen kann auch in Großbritannien der Bedarf bestehen, die Uhr anzuhalten, etwa um in Ruhe einen Vergleich zu verhandeln.

Geht so eine Verjährungseinredevereinbarung auch nach englischem Recht?

Das Ergebnis vorweg: Absprachen über die Verlängerung (extension) einer laufenden Verjährungsfrist, über das Pausieren bzw. Hemmen (suspension), den Neubeginn (Unterbrechung) oder sogar den völligen Verzicht (waiver) auf die Geltendmachung der Verjährung ist in den meisten Fällen (Ausnahmen etwa in sec. 33 Limitation Act) auch in Großbritannien möglich und in der Praxis üblich. Die gängige Bezeichnung für eine Verjährungsvereinbarung ist „Standstill Agreement“. Allerdings ist es, wie so häufig, im englischen recht eine Ecke komplizierter. Man muss nämlich streng unterscheiden, ob die Verjährung (limitation period) durch die Vereinbarung unterbrochen (suspended) werden soll oder ob das Standstill Agreement vielmehr das Enddatum der Verjährung neu festlegt (extension of limitation period). Die Rechtsfolgen sind gravierend: Endet die Laufzeit der Verjährungsvereinbarung, dann tickt die Uhr der Verjährungsfrist im Fall der „Suspension“ einfach weiter, d.h. die Parteien haben noch Zeit, eine Klage vorzubereiten und einzureichen. Wertet der englische Richter die Formulierung eines Standstill Agreement allerdings als „limitation extension“, dann ist der Anspruch mit Ende der Vertragslaufzeit verjährt, d.h. in diesem Fall muss die Klage vorbereitet und eingereicht sein, bevor die Verjährungsvereinbarung abläuft.

Wer also eine Verjährungseinredevereinbarung nach englischem Recht erstellt, muss extrem sorgfältig und präzise formulieren. Eine typische Musterklausel lautet:

The parties hereby agree that for all purposes of any defence or argument based on limitation, time bar, laches, delay or related issue in connection with the Dispute (a Limitation Defence), time will be suspended from the date of this agreement until…

Ergänzend sollte man in der Vereinbarung aufführen, dass die restliche Verjährungsdauer nach Ende der Vereinbarung noch zur Verfügung steht.

Dogmatisch ist die Verjährung eines zivilrechtlichen Anspruchs (limitation of claims) auch nach englischem Recht eine Einrede, die das Gericht nicht von sich aus anwendet, sondern nur, wenn sich der Anspruchsgegener auf die Verjährung beruft (to raise the defence of limitation). In diesem Fall muss der Anspruchsteller dann belegen, dass die Verjährung noch nicht eingetreten ist, etwa durch Vorlage einer wirksamen Verjährungsvereinbarung (Limitation Standstill Agreement). Eine solche Vereinbarung muss nicht zwingend schriftlich abgeschlossen sein. Es empfiehlt sich aber natürlich aus Beweisgründen dringend, eine solche Vereinbarung in Form einer formellen „Deed“ abzuschließen.

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Weitere Informationen zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK in diesen Posts:

 

 

 

 

 

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