Neues englisches Familienrecht erlaubt schnelle Scheidung

Mit Wirkung zum 6. April 2022 hat nun endlich auch England und Wales das verstaubte Schuldprinzip abgeschafft und erlaubt eine verschuldensunabhängige Scheidung („no fault divorce“). Schottland hatte sein Scheidungsrecht bereits 2006 modernisiert.

Wie schnell kann man sich in England scheiden lassen?

Manche Paare wollen so schnell wie möglich nicht mehr rechtlich gebunden sein, entweder weil man schon einen neuen Partner hat und diesen möglichst schnell heiraten will, oder weil man die juristischen Bande mit dem bisherigen Ehegatten nicht länger erträgt.

Eine Scheidung in Deutschland ist vergleichsweise langwierig, vor allem wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind oder/und wenn ein Ehepartner eigentlich gar nicht geschieden werden will und die deutschen Regeln des Scheidungsverbunds (§ 137 FamFG) dazu missbraucht, das Scheidungsverfahren in die Länge zu ziehen. In Deutschland darf das Gericht eine Scheidung nämlich nur aussprechen, wenn auch die sogenannten Folgesachen geregelt sind. Dies sind nach § 137 FamFG:

  • Versorgungsausgleichssachen
  • Unterhaltssachen
  • Ehewohnungs- und Haushaltssachen
  • Güterrechtssachen
  • Umgangsrecht und Sorgerecht, wenn Kinder existieren

Man sieht: In Deutschland gilt das Prinzip, dass eine Scheidung erst ausgesprochen werden darf, wenn gleichzeitig mit der Scheidung auch alle anderen wichtigen Fragen geklärt sind.

Anders in England: Hier ist „Scheidung pur“ möglich

Für scheidungsweillige Paare, die es eilig haben, bietet das neue englische Scheidungsrecht dagegen die Möglichkeit einer „Blitzscheidung“. Das englische Familienrecht kennt bei der Scheidung nämlich gerade keinen Scheidungsverbund, das heißt in England ist eine Scheidung „pur“ möglich, also die reine Beendigung der Ehe. Alles andere, Vermögensausgleich, Unterhalt, Sorgerecht usw. kann man auf später vertagen. Jedenfalls wenn beide Ehepartner das selbe Ziel einer schnellen Scheidung haben. Dann genügt es, wenn einer oder beide den Scheidungsantrag stellen, was in England sogar online möglich ist: https://www.gov.uk/divorce/file-for-divorce

In einfachen Konstellationen haben die Eheleute in England nach vier bis sechs Monaten ihren Scheidungsausspruch. Existieren gemeinsame Kinder kann es etwas länger dauern.

Aber selbst in Fallkonstellationen, in denen sich ein Partner gegen die Scheidung wehrt, wird diese in England in aller Regel erheblich früher ausgesprochen als in Deutschland, weil es in England eben nicht Voraussetzung ist, dass man sich über die sog. Scheidungsverbundsachen entwder geeinigt hat oder das Gericht darüber entschieden hat, bevor die Scheidung ausgesprochen werden darf.

Weitere Informationen zum Scheidungsverfahren in England hier:

sowie auf der offiziellen Website der englischen Justiz hier.


Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl
 ist seit 2003 auf deutsch-britisches Recht spezialisiert, Schwerpunkte Erbrecht, Nachlassabwicklung, internationale Zivilprozesse und auch Familienrecht. Er ist der Autor des Länderberichts zum Familienrecht von England und Wales im Nomos BGB-Kommentar:

Für familienrechtliche Beratung und Gerichtsverfahren in England benötigen Sie natürlich anwaltliche Hilfe vor Ort. Wir arbeiten seit 20 Jahren mit ausgewiesenen Experten für internationale Scheidungen und internationales Kindschaftsrecht in UK zusammen und empfehlen die Familienrechtsabteilung der englische Anwaltskanzlei Buckles Solicitors.

Englische Anwaltskanzlei für Familienrecht (Ehevertrag, Scheidung und Kindschaftssachen)

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Cross Channel Lawyers ist der Rechtsblog von Graf & Partner , gegründet 2003 und seither spezialisiert auf deutsch-britisches und deutsch-amerikanisches Recht. Die Familienrechtsabteilung berät internationale Paare – selbstverständlich auch LGBT-Paare – bei Fragen rund um die Themen Eheverträge und – wenn nötig – internationale Scheidung. Rechtsanwalt Schmeilzl verfasst den Länderbericht „Familienrecht England & Wales“ im BGB-Kommentar des NOMOS Verlags und ist ausgewiesener Fachmann insbesondere für die Themen deutsch-englischer Ehevertrag sowie deutsch-britische Scheidung. Mehr zum englischen Familienrecht hier