Erbschaft aus Deutschland: Wie viel Erbschaftssteuer fällt in UK an?

Ein Brite erhält Schenkung oder Erbschaft aus Deutschland. Und nun?

Fast täglich erhalten wir eine Anfrage wie diese:

Ich lebe seit einiger Zeit als Deutscher in England. Nun ist mein Vater (meine Mutter) verstorben und ich habe geerbt. Wie viel Erbschaftsteuer muss ich in England zahlen?

Die Antwort ist einfach: Gar keine!

Wenn die Erbschaft (oder das Vermächtnis) von einem deutschen Erblasser stammt, der keinen Wohnsitz in UK hatte und dort auch keine Vermögensanlagen besaß, dann ist dieser Erbfall aus Sicht der britischen Finanzbehörden (Her Majesty’s Revenue & Customs, abgekürzt HMRC) kein „steuerbarer Vorgang“ (taxable event), wie die Steuerjuristen das nennen. Anders formuliert: Dieser Sachverhalt fällt nicht in Systematik des britischen Erbschaftssteuerrechts und löst somit überhaupt keine Inheritance Tax aus. Man muss noch nicht einmal eine englische Steuererklärung ausfüllen und abgeben. Dieser Erbfall interessiert HMRC schlicht und ergreifend nicht. Ich sage dies deshalb so deutlich, weil es viele der Anrufer nicht glauben können und Angst davor haben, dass das englische Finanzamt nachzuforschen beginnt, wenn ein hoher Betrag auf eine Bank in UK transferiert wird. Nun, es kann zwar sein, dass wegen Geldwäscheverdachts nachgefragt wird. Aber man kann dann ganz beruhigt die Erbschaft als Quelle des Vermögens angeben, denn dies löst keine Steuer aus. Really! Trust me on this!  🙂

Warum eigentlich nicht?

Dazu muss man die Systematik der UK Inheritance Tax verstehen (die in den meisten US Bundesstaaten übrigens ebenso ist): In Deutschland ist die Grundidee, dass der Empfänger der Erbschaft besteuert wird. So ordnet § 20 Abs. 1 ErbStG an: „Steuerschuldner ist der Erwerber“. Er, der Erwerber, hat einen persönlichen Freibetrag (je nach Nähe des Verwandtschaftsverhältnisses) und einen persönlichen Erbschaftsteuersatz. Er ist auch persönlich verpflichtet, die Erbschaftsteuererklärung abzugeben.

Völlig anders die Grundidee der Inheritance Tax in UK (und den meisten anderen Common Law Jurisdiktionen): Dort wird nicht der Erwerber (Recipient, Beneficiary) besteuert, sondern der Nachlass (the Estate) als solches. Darum gibt es auch nur einen einmaligen Freibetrag (nil-rate band), egal auf wie viele Erben der Nachlass verteilt wird. Details dazu hier. Erst nach vollständiger Bezahlung der IHT (durch den zwingend nötigen Executor) wird der Nachlass an die Beneficiaries verteilt, also „after tax“.

Wenn der Erblasser keinerlei Beziehung zum Vereinigten Königreich hatte (also weder britischer Staatsbürger war, noch dort einen Wohnsitz hatte und auch keine Geldanlagen oder Immobilien), dann ist das aus Sicht des HMRC kein britischer Erbfall.

Wenn der Empfänger der Erbschaft in UK wohnen bleibt und später irgendwann selbst verstirbt, so ist das ursprünglich aus Deutschland zugelossene Erbschaftsvermögen dann aber natürlich Bestandteil seines Estate und unterfällt – je nach Fallkonstellation – der britischen Erbschaftssteuer. Es kann also in bestimmten Fällen (etwa wenn der Erwerber als Expat nur vorübergehend in UK wohnt) trotzdem sinnvoll sein, die Erbschaft nicht von Deutschland nach UK zu transferieren.

Weitere Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in England siehe:

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Buckles LLP gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.