Die „Brexit-Panik-Klauseln“ der britischen Anwaltskanzleien

Londoner Wirtschaftskanzleien empfehlen ihren Mandanten „Sicherheitsklauseln“ gegen negative Auswirkungen des Brexit

Theresa May hat offenbar keine Angst vor einem harten Brexit (siehe hier und hier). Selbst mit dem „hardest possible Brexit“ werde es Großbritannien besser gehen als in der EU. Aha, ok.

Nur, englische Anwaltskanzleien sehen das offenbar überwiegend anders. Denn sie versuchen seit einigen Monaten, zugunsten ihrer britischen Mandanten Schutzklauseln in alle grenzüberschreitenden Verträge einzubauen. Mit dem typisch anglo-amerikanischen Selbstbewusstsein sollen durch diese Standardklauseln (boilerplate templates) sämtliche Risiken und Unwägbarkeiten des nahenden BREXIT kurzerhand auf die europäischen Vertragspartner abgewälzt werden. Als hätten diese den Brexit verursacht oder auch nur gewünscht.

Da unsere Kanzlei auf deutsch-britisches und deutsch-amerikanisches Recht spezialisiert ist, laufen täglich dutzende solcher internationaler Verträge über unsere Schreibtische. Hier,  aus einem deutsch-englischen Vertriebsvertrag, zwei Beispiele für typische BREXIT-Sicherheitsgurt-Klauseln, die wir seit einiger Zeit regelmäßig in Vertragsentwürfen der englischen Anwaltskollegen vorfinden, meist gut versteckt „hinten unten“ im Vertragswerk:

13.8       In the event that the United Kingdom withdraws from the European Union and, in DISTRIBUTOR’s reasonable opinion, such withdrawal has, or is likely to have, a material adverse effect on the commercial substance of the arrangements between the parties under this Agreement, DISTRIBUTOR may, in its absolute discretion, either require the parties to meet in good faith to renegotiate and amend this Agreement to uphold and retain its underlying principles and the commercial bargain agreed between the parties; or, in the event that the parties are unable to reach agreement on renegotiating the terms and conditions of this Agreement DISTRIBUTOR may terminate this Agreement by giving not less than 15 (fifteen) Business Days’ written notice to PRINCIPAL.

13.9         The monetary amounts under this Agreement expressed in Euro have been agreed based on a EUR:GBP exchange rate of 1.00: 0.85.  In the event that the actual EUR:GBP exchange rate available to DISTRIBUTOR from its bankers on the date on which payment of any such amount is due under this Agreement fluctuates by more than five per cent (5%) lower, or higher, than the agreed exchange rate referred to in this section, the monetary amount shall be adjusted in accordance with such fluctuation with immediate effect by DISTRIBUTOR giving written notice to PRINCIPAL.

Im Klartext bedeuten diese „wünsch dir was“ Vertragsklauseln der englischen Wirtschaftsanwälte: Falls der Brexit nachteilige Auswirkungen auf die Vertragsbeziehung hat, dann können wir Briten verlangen, dass wir über die Konditionen neu verhandeln. Falls wir uns dabei nicht einig werden (im Klartext: wenn ihr unseren Forderungen nicht nachkommt), dann können wir innerhalb von zwei Wochen ein Sonderkündigungsrecht ausüben. Und, ach ja, falls der Wert des britischen Pfund im Verhältnis zum Euro in den Keller geht, dann dürfen wir auch entsprechend weniger zahlen, selbst wenn unsere Verbindlichkeiten in Euro vereinbart sind.

So macht man das: Vorteile gerne in Anspruch nehmen, Nachteile und Risiken auf den Geschäftspartner abwälzen.

Den deutschen Geschäftspartnern und deren Anwälten kann man bei solchen Brexit-Vertragsklauseln nur raten: ablehnen. Ein solches „Thanks, but no thanks“ kann man ja mit zahlreichen Zitaten von Boris Johnson, Nigel Farage, Mervyn King und natürlich auch Theresa May unterlegen, dass „Britain much better off“ sei außerhalb der EU. Wenn das so ist, dann brauchen die britischen Firmen ja auch keine solchen Safeguard Clauses in ihren internationalen Verträgen. Mann oder Maus?

Wir wünschen jedenfalls viel Spaß und Erfolg bei den Vertragsverhandlungen mit den britischen Anwaltskollegen!

Mehr zum Brexit hier:

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Weitere Informationen zu deutsch-britischer Vertragsgestaltung, zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK finden Sie in diesen Posts:

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Vertragsgestaltung, Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle.

Wir führen regelmäßig Intensivschulungen für Manager zum Thema englisches Vertragsrecht sowie zu den Rechten und Pflichten des Geschäftsführeres einer Limited Liability Company, sei es Gruppenseminare oder Einzelschulungen.

Falls Sie bei einer britisch-deutschen oder amerikanisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner in Deutschland sind Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England) und Elissa Jelowicki, Solicitor.