Unterhalt in England vollstrecken (Leitfaden und Praxistipps)

In der Theorie ist es ganz einfach: Seit 18. Juni 2011 gilt die EU-Unterhaltsverordnung (Verordnung EG Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008), nach der jeder titulierte (also von einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde festgestellte)  Unterhaltsanspruch in einem anderen EU-Mitgliedsstaat einfach und ohne mühsames nationales Registrierungs- oder Exequaturverfahren durchgesetzt, also vollstreckt werden kann. Dazu muss man nicht einmal selbst im Ausland tätig werden. Vielmehr erledigt dies auf Antrag die sog. zentrale Behörde, nach § 4 Abs. 1 Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) ist dies in Deutschland das Bundesamt für Justiz. Für die Fallkonstellation deutscher Unterhaltsgläubiger und britischer Schuldner hat die deutsche Botschaft in London hier ein Merkblatt erstellt (PDF Download Merkblatt Unterhalt Stand 9_2011). Das Merkblatt verbreitet Optimismus (Zitat Blatt 3): „Das Bundesamt für Justiz wird Ihren Antrag so dann … an die britische Empfangsbehörde weiterleiten, welche sich zunächst mit dem Unterhaltsschuldner in Verbindung setzen wird. Zahlt der Unterhaltsschuldner nicht freiwillig, wird der Unterhalt im Wege der Zwangsvollstreckung nach britischem Recht eingetrieben“. Solcher Optimismus in allen Ehren, jedoch, die praktische Erfahrung vieler unserer Mandanten ist eine andere:

Die „Begeisterung“ der Briten für die EU und deren Verordnungen ist ja bekannt: Zwei Drittel der Briten fordern (Stand Januar 2013) ein Referendum über den Austritt aus der EU und die klare Mehrheit würde für einen solchen Austritt stimmen (siehe hier und hier). Man ist also gut beraten, keine Begeisterungsstürme der britischen Gerichts und Behörden zu erwarten, wenn man sich auf EU-Regularien beruft.

Zweitens haben es Unterhaltsschuldner, die bisher nicht freiwillig für Ihr Kind oder ihren (geschiedenen) Ehegatten gezahlt haben, an sich, dass sie sich auch weiterhin entziehen wollen. Das heißt sie verschleiern ihre korrekte Anschrift, boykottieren Zustellungsversuche, rechnen sich arm (Pfändungsfreigrenzen gibt es natürlich auch in England) und haben viele weitere Tricks auf Lager. Wenn das Merkblatt auf Seite 3 oben bemerkt: „die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Unterhaltsschuldners […] übernimmt das Bundesamt für Justiz grundsätzlich gebührenfrei“, so drängt sich auch hier der Eindruck auf, dass der Autor des Merkblatts nicht allzu viel praktische Erfahrung „draußen an der Front“ hat.

Dennoch ist das Merkblatt natürlich ein guter Einstieg in die Materie. Ohne aktive Unterstützung im Vereinigten Königreich durch Anwälte für Familienrecht und manchmal auch durch Privatermittler geht in vielen Fällen aber nichts.

Wir haben die wichtigsten gesetzlichen Regelungen, Anlaufstellen, Tipps und Tricks in diesem ausführlichen Beitrag zusammengefasst: „Wenn Briten keinen Unterhalt zahlen: Leitfaden für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen in UK“