
Wer im Vereingten Königreich Rechtsrat oder anwaltlichen Beistand in einem Gerichtsverfahren braucht, steht einer verwirrenden Anzahl verschiedener Kategorien von Anwaltsberufen gegenüber. Neben der traditionellen Unterscheidung zwischen Solicitors und Barristers gibt es seit 1990 nun auch noch Solicitor Advocates. Die Einzelheiten sind recht unübersichtlich, zumal sich die Berufsbilder in den letzten zwei Jahrzehnten in starkem Wandel befinden, veraltete Beschränkungen aufgehoben werden und obrigkeitliche Symbole fallen. Die weitgehende Abschaffung der Perücke aus – übrigens schrecklich juckendem – Pferdehaar (hier) bei Zivilrichtern ist nur ein Beispiel für die kontinuierliche Modernisierung, die sogar im traditionsbewussten Großbritannien stattfindet. Die Gründe: Zum einen der Einfluss der EU-Dienstleistungsrichtlinien, zum anderen – und wohl wichtiger – die Haltung heutiger Klienten, die auch von Anwälten effiziente Dienstleistung erwarten, kein Perückenschauspiel aus einem Miss Marple Film.
Weitere Informationen zum Thema findet sich auf den englischsprachigen Wikipedia-Websites Solicitors, Baristers in England and Wales, Barristers (around the world) und Solicitor Advocates sowie auf den Portalen der Standesorganisationen The Law Society und The Bar Council.
Weitere Informationen zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK in diesen Posts:
Aber zurück zum Ursprung: Warum gibt es in Common Law Staaten diese Trennung?
Historisch sind Solicitors die ersten Ansprechpartner und direkten Berater sowie Vertreter des Mandanten. Der Solicitor ermittelt den relevanten Sachverhalt, prüft die Rechtslage, entwirft Dokumente und Vertritt seinen Mandanten außergerichtlich sowie – auch früher schon – in unteren Instanzen. Ein Barrister dagegen ist der Spezialist für den Gerichtssaal, also der Experte für Prozessrecht, Zeugenbefragungen und Plädoyers. Traditionell darf der Klient einen Barrister gar nicht selbst beauftragen, sondern muss hier über einen Solicitor gehen, der dem Barristor zuarbeitet, ihm also die Fakten und Beweismittel liefert (etwa ähnlich den „Rechtsanwälten beim BGH“ in Deutschland). Diese Beschränkung wird aber immer mehr aufgeweicht, so dass in manchen Bereichen der Mandant den Barrister doch direkt mandatieren kann. Man muss sich klar machen, dass diese unterschiedliche Rollenverteilung im Common Law auch auf das Jurysystem zurückgeht. Eine professionelle Zeugenbefragung (Stichwort cross examination) und ein mitreißendes, überzeugendes Plädoyer ist bei Geschworenengerichten viel wichtiger als im deutschen ZPO-Prozess, bei dem die Anwälte den Berufsrichter vor allem durch Schriftsätze überzeugen müssen. Soweit zur Historie. Durch zahlreiche Gesetzesreformen im Vereingten Königreich bewegen sich die Berufsbilder aber immer weiter aufeinander zu. Die Kompetenzen wurden stark erweitert. Solicitors dürfen heute ebenfalls vor vielen britischen Gerichten auftreten, ohne einen Barrister einschalten zu müssen. Allerdings tun es die meisten nicht. Mit einer Zusatzqualifikation können sie als Solicitor Advocate auftreten und signalisieren so den Mandanten eine besondere Kompetenz bei der Prozessführung. Umgekehrt wollen immer mehr Barristers, auch aus wirtschaftlichen Gründen, durchaus den direkten Kontakt zu Klienten und absolvieren hierfür ein gesondertes Programm. Mittlerweile haben sich die englischen Juristen – zähneknirschend – auch damit abgefunden, dass aufgrund der EU-Regeln zur Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sogar Rechtsanwälte aus anderen EU-Mitgliedsstaaten im United Kingdom rechtsberatend tätig sein und Mandanten sogar vor englischen Gerichten vertreten dürfen (mit einigen Ausnahmen). Ein deutscher Rechtsanwalt kann also auch einen englischen Mandanten in England beraten. Will er sich sogar dauerhaft in England niederlassen, so geht das als Registered European Lawyer (Details hier und hier), wobei die praktische Schwierigkeit darin besteht, in UK eine Berufshaftpflichtversicherung (Professional Indemnity Insurance) zu finden, die ihn unter Vertrag nimmt.Experten für Zivilprozess in England
Wir, die Kanzlei Graf & Partner, sind seit 20 Jahren spezialisiert auf deutsch-britisches Recht, vor allem auf deutsch-britische Zivilprozesse mit wirtschafts- oder gesellschaftsrechtlichem Hintergrund. Rechtsanwalt Schmeilzl ist der Autor des einzigen deutschsprachigen Praxisleitfadens zum Zivilprozess in England (Beck Verlag), eine Hilfe für für deutsche Firmen (und deren Anwälte), die sich in einem englischen Zivilprozess wiederfinden.
[…] usw) Dienstleistungen in UK erbringen. Die Kollegen von Cross-Channel-Lawyers.de erklären hier die Unterschiede und geben Tipps, welche Kategorie von Lawyer man beauftragen sollte oder ob man […]