In Down Under ist im Familienrecht und Erbrecht vieles ganz anders …

… als man das in Deutschland gewohnt ist sowieso; aber auch im Vergleich zum Erbrecht und Familienrecht in Großbritannien, obwohl das australische Recht stark vom englischen Recht beeinflusst ist. So gilt in Australien zum Beispiel eine völlig andere gesetzliche Erbfolge als im England, Wales und Schottland. Und Eheverträge (Pre-Nuptials, Marriage Agreements) werden in Australien etwas anders gehandhabt als in England. Deutsch-australische Ehepaare oder deutsche Paare, die länger in Australien wohnen oder gar komplett dorthin auswandern, sollten sich daher über die dortigen Regeln der gesetzlichen Erbfolge sowie das Familienrecht Australiens (noch genauer gesagt des jeweiligen australischen Bundesstaats) informieren. Sonst drohen im Ernstfall unschöne Überraschungen.

Erbrecht in Australien

Im Unterschied zum deutschen Erbrecht (hier erbt ohne Testament der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses und die Kinder die andere Hälfte) sowie auch zu den Regeln der gesetzlichen Erbfolge in England & Wales (hier), hat nach australischem Erbrecht (Australian Intestacy Rules) der überlebende Ehegatte (surviving spouse) eine extrem starke Position. Was viele überrascht (auch Briten): Gibt es kein Testament, ist der Ehegatte nach australischer gesetzlicher Erbfolge in den meisten Fällen Alleinerbe. Und zwar sogar dann, wenn der Verstorbene Kinder hatte!

Die Änderung der australischen gesetzlichen Erbfolge durch den Succession Amendment (Intestacy) Act 2009, in Kraft getreten am 1. März 2010 als neues Kapitel 4 des Succession Act 2006, hat die rechtliche Position des überlebenden Ehegatten in Australien noch erheblich weiter verbessert, wenn der Verstorbene kein Testament hinterlässt. So regelt beispielsweise Kapitel 4 des Succession Act 2006 für den überlebenden Ehegatten:

  • Wenn der Verstorbene vereiratet war, aber keine Kinder hatte, erhält der Ehegatte den gesamten Nachlass. (If the deceased leaves a spouse and no children, the spouse is entitled to the whole estate.)
  • Wenn der Verstorbene vereiratet war und zusammen mit dem überlebenden Ehegatten Kinder hatte, erhält trotzdem allein der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass. (If the deceased leaves a spouse and children, and the children are the spouse’s children, the spouse is entitled to the whole estate.)
  • Wenn der Verstorbene vereiratet war und Kinder hatte, die aber nicht Kinder des überlebenden Ehegatten sind, verteilt sich der nachlass wie folgt: siehe englische Version. (If the deceased leaves a spouse and children, but the children are not the spouse’s children, the spouse is entitled to:
    • the intestate’s personal effects (defined in section 101), and
    • a statutory legacy of $350,000.00 plus adjustment for CPI from December 2005, and interest if the statutory legacy is not paid in full within one year of the date of death. For the definition of statutory legacy, see section 106).
    • one-half of the remainder (if any) of the estate

Man ahnt: Die Australier haben andere Vorstellungen von einer fairen gesetzlichen Erbfolge als wir Kontinentaleuropäer oder Briten. Kinder gehen in der Regel erst mal komplett leer aus, Geschwister desVerstorbenen sowieso. Das kommt einem deutschen Erbrechtsanwalt seltsam vor. Ganz zu schweigen davon, dass für die australischen Ureinwohner (Aboriginees, indigene Völker) nochmal ganz eigene Sondervorschriften gelten, inklusive Zulässigkeit der Vielehe.

Deutsche Expats in Australien oder Auswanderer nach Australien gehen aber oft davon aus, dass bei ihrem Tod die Kinder zumindest einen Teil erben werden. Irrtum! Man sollte daher dringend ein Testament erstellen oder sein bestehendes deutsches Testament prüfen, um seinen Nachlass auch wirklich so zu vererben, wie man sich das wünscht. Zumal es ja nicht nur um das in Australien befindliche Vermögen geht, sondern um das gesamte, weltweite Vermögen des Erblassers, da das australische Erbrecht für den gesamten „global estate“ gilt, wenn der Verstorbene seinen Hauptwohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) vor seinem Tod in Australien hatte.

In Australien muss man gar nicht heiraten

Übrigens: In Australien ist man schneller „verheiratet“, als man denkt. Das australische Familienrecht kennt nämlich das rechtliche Konzept der sogenannten „domestic partnership“, auch „de facto partnership“ genannt. Viele Regeln, die für Verheiratete gelten, wendet das australische Recht auch bereits auf feste nicht-eheliche Lebensgemeinschaften an, sogenannte „common law marriage“ (die zum Beispiel auch in Brasilien gilt). Daher ist höchste Vorsicht geboten, wenn man in Australien mit seinem Partner, seiner Partnerin zusammen zieht: er oder sie hat sowohl im Scheidungsfall, wie auch im Erbrecht, die selben Rechte wie ein „echter“ Ehegatte.

Wo das steht? Nun, zum Beispiel definiert Paragraf 105 des australischen Succession Act für einen Erbfall eine „domestic partnership“ (häusliche Gemeinschaft) als eine Beziehung zwischen dem ohne Testament verstorbenen Erblasserund einer anderen Person, mit der er entweder in einer registrierten Partnerschaft oder in einer „de facto relationship“ zusammen gelebt hat. Diese „de facto“ Ehe wiederum wird angenommen, wenn, so der englische Originaltext:

  • the partnship has been in existence for a continuous period of at least 2 years, or
  • the partnership has resulted in the birth of a child.

Fazit: Heirat unnötig. In Australien gelten die familien- und erbrechtlichen Regeln oft auch schon durch bloßes ernsthaftes Zusammenleben.

Gelten Eheverträge in Australien?

Auch das ist Down Under ein kompliziertes Thema. Prinzipiell kann man in Australien Eheverträge (Pre-Nuptials, Prenuptial Agreements, Marriage Agreements) abschließen. Das ist in den Paragrafen 90A und 90B des australischen Familiengesetzbuchs (Family Law Act 1975) sogar ausdrücklich geregelt. Aber: Australische Richter stehen Eheverträgen (wie auch „unfairen“ Testamenten) sehr skeptisch gegenüber (siehe Zeitungsartikel hier). Das bedeutet, dass australische Eheverträge im Ernstfall oft aufgehoben oder angepasst werden. Und auch Testamente werden deutlich häufiger für unwirksam erklärt, als man das in Deutschland gewöhnt ist. Dennoch ist ein Ehevertrag für deutsche Paare in Australien eine Überlegung wert.

Was ist ein „Prenuptial Agreement (Prenup)“ nach australischem Recht?

In Australien versteht man unter einem „prenuptial agreement“ gemäß Definition des Family Law Act 1975 eine verbindliche Vereinbarung über finanzielle Angelegenheiten für den Fall der Scheidung (Binding Financial Agreement, abgekürzt BFA). Darin wird festgehalten, welches Vermögen und welche Verbindlichkeiten jeder Partner mit in die Ehe bringt und wie das Vermögen im Fall der Scheidung verteilt werden soll.

Die formellen und inhaltlichen Anforderungen an einen wirksame Ehevertrag in Australie sind sehr ähnlich den Anforderungen in England, tendenziell eher noch strenger. Hier eine Zusammenfassung der Wirksamkeitsvoraussetzungen für australische Eheverträge im englischen Originalwortlaut:

  • Prenups must be in writing and they must comply with strict legal guidelines as outlined in the Family Law Act 1975.
  • The prenup must include a complete disclosure of each person’s financial standing.
  • Each partner to the prenup must have received independent legal advice by an Australien lawyer before signing the prenup.
  • Each person must have signed the prenup voluntarily, i.e. free from coercion, duress or undue influence. Especially, no partner must tell the other partner that they will not marry them unless they sign a prenup.

Gilt ein Ehevertrag in Australien unter allen Umständen?

Die Frage stellen heißt, sie zu verneinen! Wie oben bereits erwähnt, sind australische Gerichte gegenüber Pre-Nuptials eher skeptisch eingestellt. Der tatsächlich oder vermeintlich benachteiligte Ehegatte (oft die Frau) hat daher hohe Erfolgschancen, wenn er oder sie den Ehevertrag juristisch angreift. Die häufigsten Gründe, einen Ehevertrag für unwirksam zu erklären sind:

  1. Kinder, die im Ehevertrag nicht erwähnt oder ausreichend finanziell berücksichtigt sind.
  2. Fehlendes oder unvollständiges Vermögensverzeichnis (financial disclosure).  Jeder Partner muss seine Vermögensverhältnisse vollständig offen legen.
  3. Erpressung oder – auch nur subtiler – Druck (im englischen heißt das: „unreasonable pressure, i.e. if a partner unreasonably pressures or coerces the other party into signing the agreement).
  4. Zu wenig Überlegungsfrist (last minute decision): Es sollten einige Wochen (besser Monate) vor dem Hochzeitstermin Zeit sein, den Ehevertrag zu verhandeln und zu überdenken.
  5. Inhaltliche Unfairness. Spätestens hier sind sämtliche Wetten offen. Was ein australischer Richter als fair oder unfair ansieht, ist kaum vorhersehbar.

Daher bleibt in Australien immer ein gehöriges Risiko, ob der Ehevertrag im Ernstfall auch wirklich halten wird.

Weitere Informationen zum internationalen Familien- und Scheidungsrecht finden Sie in diesen Beiträgen:

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