Späte Rache von Prinzessin Diana?

Ein spannender Prozess vor dem Londoner High Court im Sommer 2023 findet in Deutschland erstaunlich wenig Beachtung: Seine königliche Hoheit, der Duke of Sussex, besser bekannt als „Prince Harry„, der jüngere Sohn von Prinzessin Diana, klagt derzeit gegen die Mirror Group Newspapers Limited, Herausgeber zahlreicher englischer Boulevardzeitungen, darunter „The Mirror“, „People“ und „Sunday Mirror“.

Prince Harry verlangt Schadenersatz aufgrund rechtswidriger Berichterstattung, insbesondere wegen des „Hackens“ privater Mobiltelefone (illegal information gathering). Fans der Netflix-Serie „The Crown“ wissen, dass bereits Prinzessin Diana stets das Gefühl hatte, dass jemand ihre privaten Telefonate belauschte. Exakt um solche illegalen Abhöraktivitäten geht es im aktuell laufenden Prozess in London, denn Prince Harry behauptet, dass sich die Geschichte bei ihm und seiner Ehefrau Meghan Markle wiederholt, diesmal mit moderneren Methoden.

Zeugenaussage von Prince Harry kann jeder nachlesen

Da in englischen Zivilprozessen Dokumente viel zugänglicher sind als in Deutschland, kann jeder, der sich für die genaue Argumentation und Sichtweise von Prince Harry interessiert, seine 55-seitige Zeugenaussage (die mit Hilfe eines hochkarätigen Londoner Anwaltsteams erstellt wurde) im Originaltext lesen. Darin schildert er seine Erfahrungen mit der englischen Boulevard-Presse, die – aus seiner Sicht – im Ergebnis auch den Tod seiner Mutter verursacht hat und heute seine eigene Familie gefährdet.

Das witness statement von Prince Harry mit 200 Randnummern und 70 als Anlage in Bezug genommenen Dokumenten ist als PDF auf den Websites zahlreicher Medien zu finden, darunter der New York Times sowie des Independent.

Persönliche Vernehmung von Prince Harry am 6. und 7. Juni 2023

Am 6. und 7. Juni 2023 wurde Prince Harry persönlich als Zeuge gehört, also fast zwei volle Tage vom gegnerischen Barrister (das sind die englischen Prozessanwälte mit Pferdehaarperücke) ins Kreuzverhör genommen. Die Tatsache, dass Prince Harry persönlich erschien und keine Vernehmung per Videoübertragung beantragt hatte (was nach englischen Zivilprozessrecht problemlos möglich wäre) belegt, dass er und seine Anwälte davon ausgehen, dass es prozesstaktisch vorteilhafter ist, persönlich zu erscheinen, nicht nur auf einem Monitor per Video-Link aus Kalifornien zugeschaltet zu sein.

Die schriftliche Zeugenaussage des Duke of Sussex ist eine spannende Lektüre nicht nur für „The Crown“ Fans, sondern für alle, die sich dafür interessieren, wo die Rechte der Presse bei Prominentenberichterstattung ihre Schranken finden. Mit einem Urteil wird Ende 2023 / Anfang 2023 gerechnet.

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Litigation) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen, Erbfälle und internationale Gerichtsverfahren (Litigation).

Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, Master of Laws, ist Experte für deutsch-englisches Prozessrecht sowie Erbrecht und agiert auch in vielen Fällen als Nachlassabwickler (Executors & Administrators) für deutsch-britische oder deutsch-amerikanische Erbfälle. Er ist Autor des im Winter 2023/2024 erscheinenden Praxishandbuchs Der Zivilprozess in England

Beitragsfoto: Annie Spratt auf Unsplash