Zentrale Weichenstellung bei deutsch-britischen Verträgen ist die Klausel zum anwendbaren Recht und zum internationalen Gerichtsstand, die „Governing Law & Jurisdiction Clause“

Wer Verträge mit britischen Unternehmen schließt oder bestehende Vertragsbeziehungen nachverhandelt (etwa wegen Brexit), steht vor dem Problem, ob man für die deutsch-britische Geschäftsbeziehung englisches Recht und englischen Gerichtsstand akzeptieren soll. Die englischen Vertragsanwälte (Solicitors) des Geschäftspartners werden dies nämlich in aller Regel ganz selbstverständlich verlangen („Choice of Law“ und „Choice of Forum“) und ihr angeblich effizientes Rechtssystem anpreisen. Übrigens: Bitte im internationalen Vertrag nie schreiben „British Law“. Das gibt es nämlich nicht, sondern es gibt English Law und Scottish Law mit jeweils eigenen Gesetzen (siehe hier). Diese beiden Rechtssysteme von England und Schottland unterscheiden sich erheblich.

Den Managern und Business Developern des deutschen Mandanten ist diese Frage des anwendbaren Rechts und Gerichtsstands meist ohnehin nicht so wichtig; bei ihnen stehen die Business Terms im Vordergrund, also Leistung, Preis, Lieferfristen und Gewährleistung. Gemäß dem alten Managersprichwort: BWL schlägt Jura. Hauptsache man kommt zum Abschluss des Vertrags.

Wehe, es kommt später doch zum Rechtsstreit!

Es muss dem deutschen Vertragspartner dann aber klar sein, dass im Ernstfall ein Rechtsstreit in England erheblich teurer und umständlicher ist, als ein Zivilprozess in Deutschland. Dann zeigt sich, was die Werbeslogans der English Law Society über London als das „Legal Centre“ in der Praxis bedeuten. Absurd hohe Anwaltshonorare, völlig überlastete und über viele Monate ausgebuchte Gerichte sowie hohe Begleitkosten für Reisen nach und Tagungen in London. Verglichen damit ist ein Prozess vor einem deutschen Landgericht ein Schnäppchen.

Wir wissen hier, wovon wir reden, da unsere deutsch-britische Prozessrechtsabteilung pro Jahr dutzende Gerichtsverfahren gegen englische Unternehmen führt, oft in komplexen Liefer- oder Werkvertragsbeziehungen, bei denen um technische Standards gestritten wird. Es ist daher übrigens auch unter diesem Gesichtspunkt relevant, wo der Prozess stattfindet, weil es darüber entscheidet, ob englische oder deutsche Gutachter als Sachverständige eingeschaltet werden. Das wiederum hat Auswirkungen, welche technischen Standards der Sachverständige zugrunde legt. In unserer Gerichtspraxis haben wir schon oft erlebt, dass englische Expert Witnesses (also Sachverständige, zum Beispiel englische Ingenieure oder Achitekten) mit stolzgeschwellter Brust über „British Industry Standards“ referiert haben, bei denen die deutschen Mandanten die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen haben und uns sagten, dass das in Deutschland etwa der Standard der frühen 80er-Jahre war. Nicht ohne Grund gibt es unter deutschen Ingenieuren das geflügelte Wort von Großbritannien als Industriemuseum.

Hier das echte Industriemuseum in Manchester. Allerdings gehört das weiße Gebäude rechts im Bild nicht mehr zum Museum, aber lassen wir das …

Englische „Civil Action“ versus deutscher Zivilprozess

Die Unterschiede zwischen englischem und deutschem Zivilprozess beginnen bereits damit, dass man vor Klageerhebung in England die strengen Bestimmungen des sogenannten Pre-Action Protocol der britischen Zivilprozessordnung (Civil Procedure Rules) einhalten muss. Mahnschreiben deutscher Firmen oder deren Anwälte genügen den Anforderungen der englischen ZPO meist nicht. Es müssen daher nochmals sehr ausführliche Mahnschreiben nach UK geschickt und angemessene vorprozessuale Fristen gesetzt werden. Das allein schon verzögert die Klageerhebung in England im Vergleich zu Deutschland um mindestens vier bis sechs Wochen, in der Praxis meist noch mehr, weil der Mandant in komplexen Zivil- oder Wirtschaftsprozessen oft erst viele Unterlagen aufbereiten und Berechnungen erstellen muss.

Zweitens muss man als Kläger vor einem englischen Gericht – neben seinem Hausanwalt – zusätzlich einen englischen Prozessanwalt einschalten, den sog. Barrister. Will man vom britischen Prozessgegner und vom Gericht ernst genommen werden, sollte das kein Neuling sein (auch die kosten aber schon 300 Pfund die Stunde aufwärts), sondern ein erfahrener Spezialist auf dem jeweiligen Gebiet. In High Profile Cases sollte man sogar darüber nachdenken, in einen „QC“ zu investieren (QC steht für Queen’s Counsel, künftig irgendwann KC für King’s Counsel). Die Stundensätze solcher QC’s lassen den Finanzvorstand des Mandanten blass werden: Mit 600 englischen Pfund aufwärts muss man rechnen, in London auch gern deutlich mehr.

Insgesamt dauern Zivilprozesse in England erheblich längern und kosten das Drei- bis Fünffache. Deshalb ist die primäre Empfehlung des deutschen Vertragsanwalts, entweder deutsches Recht und deutschen Gerichtsstand zu vereinbaren (jedenfalls nie mischen) oder aber Arbitraton zu vereinbaren, also ein privates Schiedsgericht zu installieren, wobei sich natürlich dann auch hier die Frage stellt, welches Rechtsvorschriften gelten sollen. Denn davon hängt es ja ab, welche Anwälte im Ernstfall bezahlt werden müssen, deutsche oder englische.

Ist eine Klausel mit deutschem Zivilrecht und deutschem Gerichtsstand nicht durchsetzbar, dann kann und sollte man als deutscher Vertragspartner wenigstens versuchen, innerhalb des Vereinigten Königreichs einen anderen Gerichtsort zu vereinbaren als London. Unser persönlicher Tipp für die Vereinbarung einer örtlichen Zuständigkeit in England ist Manchester; warum erklären wir hier.

Manche Vertragsjuristen empfehlen in diesem Fall als Kompromiss, im Vertrag gar nichts zu den Themen anwendbares Recht und Gerichtsstand zu vereinbaren („to remain silent“). Das ist aus meiner Sicht selten die beste Lösung, weil durch die Regeln des internationalen Privatrechts dann häufig das zuständige Gericht und das anwendbare Recht auseinanderfallen, im Ernstfall also ein deutscher Richter englisches Zivilrecht anwenden muss oder umgekehrt. Ein Albtraum für alle Beteiligten und die denkbar teuerste Konstellation, weil auf beiden Seiten dann sowohl deutsche und englische Anwälte agieren müssen und zusätzlich auch noch Übersetzer und Rechtsexperten nötig sind, die dem Richter das ausländische Zivilrecht erklären. Unsere Kanzlei erstellt regelmäßig Rechtsgutachten zum deutschen Zivil- und Handelsrecht für britische Anwaltskanzleien und englische Richter. Daher wissen wir, wie schwerfällig ein Prozess dadurch werden kann.

Fazit: Am besten deutsches Recht und deutschen Gerichtsstand vereinbaren. Erste Fallback-Position wäre Arbitration nach deutschem Recht, hilfweise nach englischem Recht. Nur wenn gar nicht anders möglich, staatliche englische Gerichte, dann aber konsequenterweise auch englisches Recht vereinbaren, denn man sollte Richter nie mit fremdem materiellen Recht quälen, das führt in den Wald.

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Weitere Informationen zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK in diesen Posts: