3 Jahre Erbstreit, weil der Notar die englische Grammatik nicht beherrscht

Knapp daneben, schlimme Folgen:

Denn „… only German law shall apply …“ bedeutet das Gegenteil von „… German law shall only apply …“

Weil ein Stuttgarter Notar das Wort „only“ im notariellen Testament an die falsche Stelle im Satz setzte, führen unsere Mandenten seit drei Jahren einen Prozess gegen die englischen Anwälte, die im früheren Testament zu Executors bestimmt sind.

Der Sachverhalt: Die deutsche Erblasserin lebte seit 20 Jahren in Großbritannien und besaß dort Immobilien und Bankkonten. Nach einer infausten Krebsdiagnose zog sie für ihre letzte Lebensphase zurück nach Deutschland. In England hatte sie – wie dort üblich – über eine Solicitor-Kanzlei vor Jahren ein Testament erstellt und die englischen Anwälte darin zu den Executors bestimmt. Eine Klausel zum geografischen Anwendungsbereich enthielt das Testament nicht (damals war das gesamte Vermögen ohnehin in UK).

Um der satten 40%-Besteuerung der Erbmasse in UK zu entgehen, war der Plan, alle Vermögenswerte in England zu liquidieren, also insbesondere das Haus zu verkaufen, und dann die Gelder nach Deutschland zu transferieren. Die meisten Geldanlagen transferierte die Erblasserin nach Deutschland. Auch der Verkauf des Hauses in England war bereits eingeleitet, da verstarb die Erblasserin aber, bevor sie die Sale Deed unterzeichnen konnte. Damit war am Todestag Nachlassvermögen sowohl in Deutschland als auch in England vorhanden.

Zudem war die Erblasserin einige Monate vor ihrem Tod zu einem deutschen Notar gegangen und hatte dortein Testament erstellen lassen, in welchem auch das englische Testament widerrrufen werden sollte.

Nachdem der Erbfall eingetreten war, beantragten die deutschen Erben auf Basis des deutschen notariellen Testaments ein englisches Nachlasszeugnis (UK hat bekanntlich die EU-Erbrechtsverordnung nicht unterzeichnet, sodass man in England stets einen separaten Erbschein beantragen muss).

Die Überraschung war groß, als die englischen Solicitors nach wie vor den Standpunkt vertraten, dass sie selbst Executors für den englischen Nachlass seien. Der deutsche Notar hatte im deutschen Testament nämlich eine missverständliche Formulierung eingebaut. Da er wusste, dass es von zentraler Bedeutung war, dass das existierende Testament widerrufen werden musste, formulierte er diese Passage im Testament gleich in englischer Sprache, damit die Solicitors und ggf. das englische Nachlassgericht es in ihrer Muttersprache lesen konnten. Leider ging dieser Schuss nach hinten los, denn er formulierte es so:

„I herewith declare that German law shall only be applicable to my Will and I herewith revoke any previous will made by me.“

Gemeint waren damit wohl zwei Dinge: Erstens eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen materiellen Erbrechts. Zum anderen ein Widerruf aller früheren letztwilligen Verfügungen.

Schulenglisch genügt für juristische Texte nicht

Aber die Briten interpretierten die Formulierung anders. Nämlich so, dass das gesamte Testament überhaupt nur den in Deutschland belegenen Nachlass  regeln wollte, für den UK-Nachlass also nach wie vor das frühere Testament gelten sollte. Aus britischer Sicht keine abwegige Interpretation.

Man muss nämlich wissen, dass im anglo-amerikanischen Recht (Common Law) die sogenannte Nachlassspaltung der Regelfall ist, also die Abwicklung der jeweiligen Erbmassen in verschiedenen Ländern nach getrennten Regeln. So raten englische Solicitiors stets dazu „make one will per jurisdiction“. In deren Augen war es also ganz normal, dass die Erblasserin zusätzlich zum bestehenden englischen Testament nun auch ein deutsches Testament verfasst hatte, aber eben nur für den Anwendungsbereich Germany.

Schon begann der schönste Erbenstreit vor dem englischen Nachlassgericht (Probate Court), der nach drei Jahren immer noch andauert. Für die Erben ein teures Vergnügen, nur weil der Notar eine unklare englische Formulierung in seine Urkunde aufnahm. Gemeint war vom Notar offenkundig:

„I herewith declare that only German law shall be applicable …“

Aber auch das wäre noch immer nicht präzise genug gewesen. Will man sicherstellen, dass die englischen Anwälte und Gerichte akzeptieren, dass das deutsche Testament den gesamten weltweiten Nachlass regeln soll, dann muss man das auch exakt so reinschreiben:

„This my Will shall apply to my entire global estate and I hereby revoke any previous wills I have made wherever and whenever.“

Ob dann zusätzlich auch eine Rechtswahlklausel möglich und überhaupt sinnvoll ist, muss man getrennt betrachten. In Common Law Ländern richtet sich die Abwicklung von Immobilien-Nachlassvermögen stets nach dem jeweiligen nationalen Recht. Die Wahl deutschen Rechts geht diesbezüglich meist ohnehin ins Leere. Zudem stellt sich auch die Frage, ob man das deutsche Recht mit seinen Pflichtteilsregeln überhaupt anwenden möchte. Übrigens erhöht eine solche Rechtswahlklausel die Notargebühren für das notarielle Testament massiv (etwa um 30%). Auch deshalb sollte man sorgfältig prüfen, ob man eine solche Rechtswahlklausel wirklich unbedingt braucht.

Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, UK und anderen Commonwealth Ländern:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit sowie in Erbschaftsteuerfragen Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien.