Der Verstorbene hatte Bankkonten oder Aktien in USA: Eigener US-Erbschein nötig?

Erbschaft in den USA

Es kommt vor, dass deutsche Expats oder sogar – ein Albtraum für die hinterbliebenen Eltern – junge Studenten während ihres Auslandsaufenthalts in den USA versterben. In den meisten Fällen haben diese dann kein US-amerikanisches Testament (mehr hier), weil sie ja davon ausgingen, dass der Aufenthalt in Amerika nur vorübergehend ist. Dennoch haben diese deutsch-amerikanischen Expats, College-Studenten oder Auslandspraktikanten in der Regel ein Bankkonto bei einem US-Geldinstitut.

Wie bekommen die deutschen Erben auf das Nachlassvermögen in USA Zugriff?

Der deutsche Erbschein gilt in den USA (wie auch in Großbritannien) nicht unmittelbar, auch nicht in beglaubigter Übersetzung. Man benötigt also streng genommen ein von einem US-amerikanischen Gericht ausgestelltes Nachlasszeugnis, vielleicht sogar mehrere solcher Letters of Administration in mehreren Bundesstaaten, falls der Verstorbene Konten bei mehreren regionalen US-Banken hatte. Ziemlich unerfreulich, langwierig und teuer.

In den meisten US-Bundesstaaten gibt es jedoch für einfach gelagerte Fälle eine weniger aufwendige Option: Liegt der Gesamtwert des Nachlassvermögens unter einer bestimmten Schwelle (in den meisten Bundesstaaten sind das 100.000 oder 150.000 US-Dollar) und befindet sich keine Immobilie im Nachlass, so genügt oft ein Small Estate Affidavit, damit die Bank das Guthaben freigibt, also eine eidesstattliche Versicherung, in welcher der in Deutschland lebende Erbe erklärt, dass die oben genannten Voraussetzungen einer vereinfachten Nachlassabwicklung (Small Estate) vorliegen und dass er berechtigt ist, die Gelder entgegen zu nehmen.

Die Formulare für solche Affidavits kann man für die meisten US-Bundesstaaten online abrufen, für Californien zum Beispiel hier. Auch die Websites der großen Banken erklären das Thema oft einigermaßen verständlich, als Beispiel die Infoseite der Estate Unit der Bank of America (hier).

Ganz banal ist das Prozedere dennoch nicht, denn die eidesstattliche Versicherung muss vor einer zur Entgegennahme berechtigten Person erfolgen, natürlich auf englisch (nicht alle deutschen Notare sind dazu bereit bzw. sprachlich in der Lage), es müssen zahlreiche beglaubigte Dokumente übersetzt, erklärt und dann per Kurier verschickt werden. Ferner sind manche Formulare von Gerichten und Banken kompliziert. Nicht selten gehen Informationen „lost in translation“.

Verwirrend ist übrigens auch, dass die juristische Fachterminologie für Erbrecht und Nachlassabwicklung in den USA sich von den in England verwendeten Begriffen unterscheidet. Deshalb reden deutsche und anglo-amerikanische Erbrechtler manchmal aneinander vorbei. Zum Beispiel meinen britische Erbrechtsanwälte mit „Probate“ das Nachlasszeugnis (also den Grant of Probate oder den Letter of Administration). „To go through probate“ bedeutet in UK also den Vorgang, einen „Erbschein“ zu beantragen und zu erhalten. In USA verwendet man als Überbegriff für alle Nachlasszeugnisse aber oft „Letter Testamentary“. Sagt ein US Lawyer „Probate“, dann meint er damit den Vorgang der Nachlassabwicklung, also das Bezahlen der Erbmasseschulden und die anschließende Verteilung des Restnachlasses an die Berechtigten. In England wiederum heißt dieser Vorgang „Estate Administration“. Solche begrifflichen Mißverständnisse führen oft zu Verzögerungen, insbesondere wenn Originaldokumente von und nach USA verschickt werden müssen.

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk gerne zur Verfügung. In den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.

Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, UK und USA siehe:

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