Ehevertrag für deutsch-englische Paare unverzichtbar

In England gilt im Fall der Scheidung das Prinzip des “equal split”

Man ahnt, was das bedeutet: Wer einen Briten oder eine Britin heiratet und einige Jahre mit ihm/ihr in England zusammenlebt, hat im Fall der Scheidung prinzipiell Anspruch auf die Hälfte dessen gesamten Vermögens.

Das ist zumindest der gedankliche Ausgangspunkt des englischen Scheidungsrichters. Ich schreibe übrigens bewusst des englischen Richters, nicht des britischen, denn das Scheidungsrecht in Schottland, Nordirland und in der Republik Irland sind sehr verschieden vom Scheidungsrecht in England & Wales.

“Prinzipiell” bedeutet, dass das Scheidungsgericht von diesem “equal split” Prinzip nach den Umständen des Einzelfalls abweichen kann und dies auch tut. Das einschlägige Gesetz ist der Matrimonial Causes Act 1973, dort insbesondere Section 25.

Neben der Ehedauer, der Bedürftigkeit beider Ehegatten und anderer Kriterien ist seit einigen Jahren auch die Existenz eines Ehevertrags (Pre-Nuptial Agreement oder Post-Nuptial Agreement) von Bedeutung. Solche Eheverträge sind in England aber, im Unterschied zu Deutschland, nicht bindend, sondern nur ein Anhaltspunkt für das Gericht. Einer von vielen, siehe Section 25 Matrimonial Causes Act 1973

Ist ein Ehevertrag für deutsch-britische Paare sinnvoll?

Absolut! Denn sonst ist im Fall der Scheidung die Vermögenszuordnung im englischen Scheidungsprozess noch schwerer vorhersehbar als ohnehin schon. Nach englischem Recht gilt nämlich kein klar definierter Güterstand, wie man das aus Deutschland, Frankreich und anderen kontinentaleuropäischen Ländern kennt. Stattdessen hat das Familiengericht die freie Entscheidungsbefugnis, was es als “fair and reasonable” erachtet.

Für vermögende Deutsche, insbesondere Kinder aus Unternehmerfamilien, die einen englischen Partner heiraten wollen, kann das dazu führen, dass im Ernstfall der Scheidung später die Hälfte des gesamten Vermögens im Feuer steht, auch des Vermögens, das bereits vor der Heirat vorhanden war, also mit in die Ehe gebracht wurde. Für einen deutschen Scheidungsanwalt ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, da es nach deutschem Recht immer nur um den Zugewinn gehen kann, also um das während der Ehezeit erwirtschaftete zusätzliche Vermögen.

Streng genommen ist die Nationalität des Partners egal. Es kommt nur darauf an, wo die Eheleute gemeinsam leben. Heiratet also ein Deutscher eine Französin, Italienerin oder Russin, gelten die identischen Grundsätze, wenn das Paar gemeinsam in England lebt und der scheidungswillige Partner in England den Scheidungsantrag stellt.

Hoffentlich existiert dann ein in England anerkannter Ehevertrag, der wenigstens die Grundzüge der Vermögenszuordnung vorgibt. Traditionell waren solche Eheverträge in England komplett unwirksam (void), weil man der Auffassung war, solche Eheverträge würden die Scheidung fördern, also die Unauflöslichkeit der Ehe torpedieren. Ein lustiges Argument im Land von Heinrich VIII.

Diese Einstellung hat sich aber in den letzten Jahren sukzessive geändert und Eheverträge sind seit langem nicht mehr völlig unbeachtlich. Spätestens seit der Entscheidung Radmacher vs. Granatino (2010) des UK Supreme Court steht fest, dass englische Scheidungsrichter den Inhalt von wirksam zustande gekommenen Eheverträgen mit in die Erwägungen für das Scheidungsurteil mit einbeziehen sollen. Bindungswirkung haben sie aber nach wie vor nicht. Gerichte sollen die Regelungen in Eheverträgen nur nicht “ohne gute Gründe” ignorieren. Deshalb ist ein Ehevertrag heutzutage auch in England besser als nichts.

Englischer oder deutscher Ehevertrag: Was ist besser?

Das ist eine schwierige Frage und hängt unter anderem davon ab, wo die Ehepartner Vermögen besitzen. Ein englischer Ehevertrag erfüllt ja nicht die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines deutschen Ehevertrags. Umgekehrt enthalten deutsche notarielle Eheverträge in aller Regel nicht alles, was ein englisches Pre-Nuptial Agreement haben sollte, um vor einem englischen Familiengericht anerkannt zu werden (“indepedent legal counsel”, “full financial disclosure” etc). In manchen Konstellationen benötigt man daher sogar zwei Eheverträge, die dann natürlich inhaltlich aufeinander abgestimmt sein müssen.

Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, LL.M. (Leicester) berät internationale Ehepaare bei der Gestaltung von Eheverträgen und Testamenten in Deutschland und Großbritannien. Er hält insbesondere auch Vorträge zum Thema Eheverträge für deutsch-englische Paare. Hier einige Folien aus der 30-seitigen Power Point Präsentation (auf Anfrage auch vollständig verfügbar):

Weitere Informationen zum deutsch-britischen Familien- und Scheidungsrecht finden Sie in diesen Beiträgen:

Cross Channel Lawyers ist ein Netzwerk von Anwälten, die auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Rechtsfälle spezialisiert sind. Gegründet 2003 von Graf & Partner und deren Prozessrechtsabteilung. Die Familienrechtsabteilung berät internationale Paare – selbstverständlich auch LGBT-Paare – bei Fragen rund um die Themen Eheverträge und – wenn nötig – internationale Scheidung. Rechtsanwalt Schmeilzl verfasst den Länderbericht „Familienrecht England & Wales“ im BGB-Kommentar des NOMOS Verlags und ist ausgewiesener Fachmann insbesondere für die Themen deutsch-englischer Ehevertrag sowie deutsch-britische Scheidung. Mehr zum englischen Familienrecht hier

Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Partnerkanzlei gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 463 7070.