Kann ein Deutscher in den USA Testamentsvollstrecker sein?

Wie wickelt man eine Erbschaft in den USA am einfachsten ab?

Hatte der Verstorbene Vermögen in den USA, muss das in Amerika liegende Nachlassvermögen gesondert abgewickelt werden. Insbesondere müssen Nachlasszeugnisse in USA beantragt werden, deutsche Erbscheine sind wertlos. Manchmal sind sogar innerhalb der USA mehrere Nachlasszeugnisse nötig, wenn der Erblasser Vermögen in verschiedenen U.S.-Bundesstaten hatte, da Erbrecht in den USA auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten geregelt ist und ein bundesweites Nachlasszeugnis, das in den gesamten USA gilt, nicht existiert (mehr dazu hier). Hatte der Erblasser ein Testament erstellt und darin selbst festgelegt, wer die Aufgabe des Nachlassabwicklers (Executors) übernehmen soll, so ist die Rollenverteilung klar. Verstarb der Erblasser dagegen ohne Testament, so dass gesetzliche Erbfolge nach den Regeln des jeweiligen US-Bundesstaates eintritt, stehen die Erben vor der Frage, wer die Rolle des Nachlassabwicklers bzw. Testamentsvollstreckers übernehmen soll, der in diesem Fall übrigens nicht Executor genannt wird, sondern Administrator.

Darf ein Deutscher in USA die Rolle des Administrators übernehmen?

In den meisten Fällen stellt der Erbe den Antrag auf das Nachlasszeugnis (Letter of Administration). Existieren mehrere Erben bzw. Begünstigte (Beneficiaries), so übernimmt diese Rolle in aller Regel einer dieser Miterben, die anderen Begünstigten erklären schriftlich gegenüber dem jeweiligen amerikanischen Nachlassgericht (Probate Court oder Surrogate’s Court), dass sie auf die Ausübung ihrer Rechte als Administrator verzichten. Technisch heißt so eine Verzichtserklärung in den meisten Bundesstaaten der USA: „Waiver of Citation, Renunciation and Consent to Appointment of Administrator“. Übersetzt bedeutet das: „Verzicht auf persönliche Anhörung, Auschlagung des Testamentsvollstreckeramts und Einverständnis mit der Bestellung eines anderen Testamentsvollstreckers“.

Befindet sidn unter den Erben in Deutschland jemand, der gut genug Englisch spricht und sich auch im übrigen zutraut, die Rolle des Administrators in USA zu übernehmen, liegt es nahe, dass dieser dem örtlichen Nachlassgericht in USA den Antrag (Petition for Proabate) stellt. Die Formulare für einen Erbscheinsantrag in New York stehen hier zum Download.

Das Problem nur: Das Erbrecht in den meisten US-Bundesstaaten, genauer gesagt die Prozessvorschriften des Nachlassverfahrens, gestatten es nur U.S.-amerikanischen Staatsbürgern, diese Aufgabe zu übernehmen. Am Beispiel des Bundesstaats New York ergibt sich das zum Beispiel aus der Verfahrensvorschrift N.Y. Surrogate’s Court Procedure Act § 707 und dem dazu gehörigen Formular „Combined Verification, Oath and Designation“:

 

Auszug aus dem Antragsformular auf einen Erbschein in New York (Petition for Probate)

 

Hintergrund hierfür ist, dass der Executor bzw. Administrator auch gesetzliche Pflichten gegenüber dem Gericht sowie dem US-Finanzamt hat. Er oder sie soll daher greifbar sein und der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterliegen. In den meisten Fällen, nicht nur im Bundesstaat New York, wird das USA-Nachlassgericht sogar verlangen, dass der Executor / Adsministrator sogar im betroffenen Bundesstaat wohnt.

Im Ergebnis benötigen die Erben zur Abwicklung des Nachlassvermögens in den USA – neben dem ohnehin nötigen amerikanischen Rechtsanwalt (siehe hier) – auch eine Vertrauensperson mit US-amerikanischem Pass, der im jeweils relevanten US-Bundesstaat einen Wohnsitz hat und bereit ist, die Rolle des Nachlassabwicklers übernimmt.

Zum Vergleich: Nachlassabwicklung durch Ausländer in Großbritannien

In Großbritannien besteht dieses Problem (zumindest derzeit) nicht. Ein deutscher Staatsbürger kann in England sowohl zum Executor wie auch zum Administrator bestellt werden, selbst wenn er keinen Wohnsitz in Großbritannien hat. Dies liegt weniger am EU-Recht (weil sich UK im Erbrecht ohnehin nie um die EU-Vorschriften gekümmert hat, auch nicht zu Pre-Brexit-Zeiten), sondern daran, dass englische Gerichte keine aktive Überwachungsrolle bei der Abwicklung von Erbfällen übernehmen. Zudem ist es in UK wegen der Empire-Historie sehr häufig, dass Nicht-Briten zu Executors bestellt werden oder einen Antrag auf Estate-Administration stellen (zum Beispiel Australier, Südafrikaner, Inder etc).

Weitere Infos zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in USA finden Sie hier:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GermanCivilProcedure) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien.

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