Schuldner in England verstorben? Dann tickt die Uhr für die Gläubiger!

Schon wenige Monate nach dem Tod des Schuldners können Forderungen gegen das Nachlassvermögen in Großbritannien ausgeschlossen sein (Präklusion)

Das englische Erbrecht kennt weder Universalsukzession noch Direkterwerb. In England haften die Erben also gerade nicht für Schulden des Verstorbenen. Wenn die Erbmasse nicht ausreicht, um alle Forderungen zu begleichen, dann haben die Gläubiger Pech gehabt.

Es kommt aber noch schlimmer: Stirbt ein in England lebender Schuldner und der Gläubiger merkt das nicht sofort, dann kann es gut sein, dass er seine Forderung nicht mehr geltend machen kann, wenn er später vom Tod des Schuldners erfährt. Im Extremfall greift dieser Ausschluss schon wenige Monate nach dem Tod!

Nach englischem Recht kann der Executor (Nachlassabwickler) nämlich eine Anzeige in der London Gazette (vergleichbar dem deutschen Bundesanzeiger) schalten, in der alle Gläubiger des Verstirbenen aufgefordert werden, innerhalb einer bestimmten Frist den Executor zu kontaktieren und ihre Forderung anzumelden. Nach Ablauf dieser Frist kann der (deutsche oder österreichische) Gläubiger seine Forderung nicht mehr durchsetzen, selbst wenn genügend Erbmasse vorhanden ist.

Da unsere Kanzlei häufig in englischen Erbfällen als Nachlassabwickler agiert, schalten wir selbst häufig solche Haftungsausschlussanzeigen (Deceased Estate Notice) in der London Gazette, hier zum Beispiel im Erbfall Helga Mitchell.

Wie eine solche Veröffentlichung in der Praxis von Deutschland oder Österreich gemacht werden kann, ist in diesem Beitrag genauer erklärt.

Falls man also eine Forderung gegen eine in England oder Schottland lebende Person hat und den Verdacht hegt, dass dieser Schuldner verstorben sein könnte, dann unbedingt sofort eine Online-Recherche auf der Website der London Gazette vornehmen, Rubrik „Notices Wills & Probate“.  Hier erfährt man – natürlich nur, wenn der Executor auch ein solches Inserat geschaltet hat – wer der Executor ist, wo der Schuldner zuletzt gewohnt hat und bis wann die Forderung angemeldet sein muss.

Wer dann weitere Informationen zum Erbfall recherchieren möchte, kann sich das Testament und das Nachlasszeugnis schicken lassen, und zwar im Volltext. Kein Scherz! Jedermann kann sich in UK das vollständige Testament und den Erbschein in jedem beliebigen Todesfall zusenden lassen. Ohne irgendein berechtigtes Interesse nachweisen zu müssen. Besonders bemerkenswert hieran: In jedem englischen Erbschein (Grant) steht, wie hoch der Wert des Nachlassvermögens des Verstorbenen war, siehe Bild. Mehrzu dieser Testamentsrecherche in England (Postal Probate Search) in diesem Beitrag hier.

Wer also wissen möchte, wie viel Nachlassvermögen zum Beispiel David Bowie oder George Michael in UK hinterlassen haben, kann das theoretisch online nachsehen. Theoretisch deshalb, weil Celebrities und reiche Briten meist Wege der Nachlassplanung finden, die einen solchen (öffentlich einsehbaren) Grant of Probate vermeiden, etwa über Familiengesellschaft, Trusts, Joint Tenancy-Lösungen, Verlagerung des Vermögens ins Ausland u.a.m. Aber bei britischen Normalbürgern ist das Testament sowie das Nachlasszeugnis nach Eintritt des Erbfalls und Erteilung des Grant für jedermann öffentlich einsehbar.

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Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit sowie in Fragen zur internationalen Erbschaftsteuer Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien.

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