Wie kann man einen untätigen Executor in UK absetzen lassen?

Testamente im anglo-amerikanischen Raum benennen meist nicht nur diejenigen Personen, denen das Erbe wirtschaftlich zugute kommen soll (Beneficiaries, also Begünstigte), sondern auch einen oder mehrere Nachlassabwickler (Executor). Diese haben die Aufgabe, den Nachlass in Besitz zu nehmen, zu sichten und zu sichern, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, die Verbindlichkeiten des Verstorbenen zu ermitteln und zu begleichen, Steuern zu zahlen und am Ende die verbleibende Erbmasse an die Begünstigten zu übertragen bzw. auszuzahlen. Meistens klappt das auch einigermaßen reibungslos, weil der Testamentsersteller in aller Regel eine Person als Executor einsetzt, die diese Aufgabe auch übernehmen will und kann (Anwälte, Steuerberater, einen der Begünstigten selbst etc).

Der untätige Nachlassabwickler (Executor)

Manchmal passiert es allerdings, dass der im Testament benannte Executor gar nichts macht. Entweder schon von Anfang an, d.h. er beantragt nicht einmal das Nachlasszeugnis, oder irgendwann später, d.h. er wickelt den Nachlass nicht vollständig ab, verkauft die Nachlassimmobilie nicht oder schüttet die verbleibende Erbmasse nicht aus. Diese Untätigkeit kann verschiedene Gründe haben. Entweder hat der im Testament benannte Executor keine Lust auf diese Aufgabe, weil der Testator (Testamentsersteller) ihn gar nicht gefragt hat, ob er oder sie überhaupt dazu bereit ist, das Amt zu übernehmen. Oder der Executor ist mit den steuerlichen Fragen, juristischen Problemen und/oder den sonstigen Nachlassverwaltungsthemen überfordert, insbesondere bei komplizierten Testamenten mit Trusts oder mehreren Immobilien. Oder aber der Executor ist sauer, weil er mit dem Inhalt des Testaments nicht einverstanden ist und nicht einsieht, dass er den Nachlass-Saldo an die im Testament begünstigten Personen ausschütten soll. Dann macht er nichts, um die Begünstigten zu zermürben oder um sie schlicht zu ärgern und bei ihnen teure Beratungskosten zu generieren. Manchmal ist der Executor auch schlicht ungeeignet, etwa weil er selbst bereits hoch betagt ist oder im Ausland lebt oder nicht gut genug Englisch spricht. Wenn ein solcher ungeeigneter Executor dann trotzdem nicht bereit ist, einen Anwalt oder Steuerberater mit der Abwicklung zu beauftragen, wird es mühsam.

Natürlich muss jemand das Amt des Executors nicht übernehmen, sondern kann es ausschlagen. Wie das geht, erklären wir hier. Wenn der im Testament benannte Executor aber Nachlassgegenstände in Besitz nimmt, zum Beispiel über ein Bankkonto verfügt, dann hat er das Amt des Executors konkludent (d.h. durch schlüssiges Verhalten) angenommen und kommt aus dieser Rolle nur schwer bis gar nicht mehr heraus. In England heißt das „to meddle with the estate“, mehr dazu hier.

Absetzung durch gerichtlichen Beschluss

In all diesen Fällen gibt es die Möglichkeit, den Executor vom Gericht absetzen zu lassen („to remove as executor“). In England ist die einschlägige Gesetzesnorm Section 50 des Administration of Justice Act 1985. Klingt einfach, ist es aber nicht. Denn in der Praxis ist eine solche Absetzung des Nachlassverwalters im Vereinigten Königreich extrem langwierig, mühsam und teuer. In unserer Kanzlei hatten wir bereits etliche Fälle, in denen ein Executor nachweislich über Monate oder gar Jahre nichts unternommen hat und auf keine Anwaltsschreiben reagiert. Dennoch sind die Gerichte in England sehr zurückhaltend und eine Absetzung dauert in aller Regel mindestens ein Jahr, wenn der Executor sich wehrt manchmal sogar noch erheblich länger. Der Grundsatz ist im englischen Recht nämlich, dass ein Executor, der den Nachlass einmal in Besitz genommen hat („has meddled with the estate“), dieses Amt nicht mehr niederlegen darf, weil er ab dann die persönliche Verantwortung für die korrekte Abwicklung trägt, also gegenüber Gläubigern und dem Finanzamt hierfür auch persönlich haftet. Deshalb soll, so der Grundsatz, ein Executor nicht ausgetauscht werden.

Urteile zur Absetzung eines Testamentsvollstreckers / Nachlassverwalters in England

Wer genauer wissen will, unter welchen Voraussetzungen ein untätiger, unfähiger oder pflichtwidrig handelnder Executor abgesetzt werden kann, etwa wegen Interessenkollision (conflict of interest), findet Praxisbeispiele und ausführliche Begründungen in diesen Urteilen

  • Angus v Emmott [2010] EWHC 154 (Ch)
  • Kershaw v Micklethwaite [2010] EWHC 506 (Ch)
  • Goodman v Goodman [2013] All ER 118
  • Re Estate of Folkes [2017] EWHC 2559

 

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