Für Immobilie auf Jersey gilt deutsches Testament nicht

Ungewöhnlich strenge Formvorschriften für Testamente bei Immobilienvermögen auf der Kanalinsel Jersey

Das Erbrecht der Kanalinsel Jersey unterscheidet bei den Formvorschriften für ein Testament, ob das Testament sich lediglich auf bewegliches Vermögen bezieht (disposal of movables), also Wertsachen, Bankkonten usw., eben alles was keine Immobilien sind, oder ob der Testamentsersteller mit der letztwilligen Verfügung (auch) eine Immobilie (Haus, Eigentumswohnung) auf Jersey übertragen will (disposal of immovables).

In diesem Fall, wenn das Testament also (auch oder ausschließlich) über eine Immobilie auf Jersey verfügt, dann muss dieses Testament folgende strengen und ungewöhnlichen Formvorschriften erfüllen:

A Will covering Jersey immovable estate must be read out loud to the testator by a Jersey Advocate (or other suitably qualified witness) in the presence of one other witness who must be of full age and of sound mind.

Dieses dreifache Formerfordernis – Anwalt, vorlesen und zwei Zeugen – erfüllt ein handschriftliches deutsches Testament offensichtlich nicht. Aber sogar ein notarielles deutsches Testament genügt nicht, da hier zwar ein juristisch qualifizierter Zeuge das Testament vorliest und unterschreibt (der Notar), aber in aller Regel kein zweiter Zeuge hinzugezogen wird. Auch ein englisches Zwei-Zeugen-Testament genügt meist nicht, da die zwei Zeugen oft keine Solicitors sind, jedenfalls aber niemand das Testament komplett laut vorliest.

Die Vorschriften der wechselseitigen Anerkennung von nationalen Formvorschriften in Art. 27 EU-Erbrechtsverordnung gelten auf Jersey (und Guernsey) nicht, da die Kanalinseln natürlich keine Vertragsstaaten sind. Details hier:

Ebenso wenig gilt auf den Kanalinseln der englische Section 1 Wills Act 1963. Es existiert dort auch keine entsprechende Regelung. Details hier:

Die Jersey-Immobilie geht – trotz Testament – an die gesetzlichen Erben

Besitzt ein Deutscher also eine Wohnung oder ein Ferienhaus auf Jersey und erstellt er – naiv – ein deutsches (handschriftliches oder notarielles) Testament erstellt, mit dem er den gesamten weltweiten Nachlass regeln will, kann es seinen Erben passieren, dass dieses Testament auf Jersey nur für dortiges bewegliches Vermögen anerkannt wird, nicht aber für Jersey-Immobilien. Für diese Immobilie gilt dann die gesetzliche Erbfolge – wohlgemerkt die gesetzliche Erbfolge nach den Regeln der Kanalinsel Jersey, da Jersey – wie die meisten Common Law Rechtsordnungen – das lex rei sitae Prinzip anwendet, also das Erbrecht am Ort der Belegenheit der Immobilie.

Fazit: Wer eine Immobilie auf Jersey kauft, sollte hierfür dringend auch gleich ein separates Testament nach den Regeln des Erbrechts von Jersey erstellen, damit die Erben später keine Überraschungen erleben.

Sollte man generell ein separates Testament für die Kanalinseln Jersey und Guernsey erstellen?

Wer auf den Kanalinseln nur Geldanlagen besitzt, keine Immobilien, muss nicht unbedingt ein separates Testament für dieses bewegliche Vermögen auf den Kanalinseln errichten. Ein separates Testament für die Kanalinseln hat jedoch gewisse Vorteile.

Wenn eine Person stirbt und auf den Inseln Vermögenswerte im Wert von mehr als 30.000 Pfund hinterlässt (der Schwellenwert wurde 2023 von 10.000 auf 30.000 erhöht, siehe hier: https://www.cross-channel-lawyers.de/wann-braucht-man-bei-vermoegen-auf-der-kanalinsel-jersey-einen-eigenen-erbschein), benötigen die Erben ein Testamentsvollstreckerzeugnis (Grant of Probate) für Jersey oder Guernsey oder (falls der Verstorbene kein Testament hinterlassen hat) ein Nachlasszeugnis (Grant of Letters of Administration), damit die Banken auf Jersey die Vermögenswerte an den/die vom Gericht ernannten Nachlassverwalter (Executor oder Administrator) herausgeben dürfen.

In Jersey muss die Person, die berechtigt ist, den Grant of Probate oder die Letters of Administration zu beantragen, persönlich vor dem Royal Court of Jersey erscheinen, um den erforderlichen Eid abzulegen. Wenn diese Person nicht nach Jersey reisen kann oder will, muss sie einen örtlichen Vertreter benennen, der in ihrem Namen am Gerichtstermin teilnimmt.

Existiert ein separates Testament für die Kanalinseln (Jersey und/oder Guerney), das einen örtlichen Testamentsvollstrecker benennt, ist das Erbscheinsverfahren viel einfacher und schneller, denn der Executor kann dann dieses Originaltestament plus Original Sterbeurkunde beim Nachlassgericht auf Jersey (bzw. Guernsey) abgeben, den Eid schwören und erhält in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen den Jersey (bzw. Guernsey) Grant.

Hinterlässt der Erblasser dagegen nur ein allgemeines, weltweit gültiges Testament, zum Beispiel ein deutsches handschriftliches oder notarielles Testament, ist der normale Verfahrensablauf, dass dieses Testament zunächst beim Gericht des Wohnsitzlandes (also Deutschland) zur Testamentseröffnung und ggf. zur Erteilung eines deutschen Erbscheins abgegeben wird. Man muss in diesen Konstellationen also zunächst die Erteilung des deutschen Erbscheins abwarten. Das kann Monate dauern.

Der dann erteilte deutsche Erbschein sowie eine gerichtlich beglaubigte Kopie des deutschen Testaments muss dann auf Jersey eingereicht werden, zusammen mit weiteren Unterlagen, offiziellen Übersetzungen, Beglaubigungen und Apostillen. Noch schwieriger ist es im Fall eines deutschen notariellen Testaments, da dann ja kein deutscher Erbschein nötig ist. Das Nachlassgericht Jersey (bzw. Guernsey) verlangt dann – an Stelle des deutschen Erbscheins – zusätzlich zum beglaubigten und übersetzten Testament ein „Affidavit of Law“, also ein Kurzgutachten eines deutschen Anwalts oder Notars zur Erbrechtssituation in Deutschland (natürlich in englischer Sprache). All diesen Zeit- und Kostenaufwand für das Nachlassverfahren auf Jersey erspart man sich durch ein separates Testament speziell für die Kanalinseln.

Mehr zum Erbrecht auf den Kanalinseln Jersey und Guernsey

Weitere Infos zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland und UK hier:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Law. Telefon 0941 463 7070.