Gilt in Irland eine Vollmacht über den Tod hinaus?

Transmortale Vollmachten und das irische Erbrecht (Republik Irland)

In den meisten anglo-amerikanischen Rechtsordnungen (UK, USA, Australien, Südafrika etc) fallen die dortigen Erbrechtsanwälte und Nachlassrichter in Schockstarre, wenn der Begriff „transmortale“ bzw. „postmortale“ Vollmacht auftaucht. Eine solche Vollmacht über den Tod hinaus ist dort schlicht unbekannt und erscheint US-amerikanischen und britischen Erbrechtlern sogar höchst suspekt (mehr hier). Das liegt daran, dass ein Nachlass in den anglo-amerikanischen Ländern in aller Regel eingefroren  und zwingend von einem Nachlassabwickler (Personal Respresentative) verwaltet werden muss. Dieser Personal Respresentative (Executor oder Administrator) haftet auch für die korrekte Nachlassabwicklung, sowohl gegenüber den Gläubigern und dem Finanzamt, als auch gegenüber den Begünstigten (Erben). Da kann man es nicht brauchen, wenn irgendwelche Personen auf Basis einer transmortalen Vollmacht agieren und dem Executor bzw. Administrator in die Quere kommen, indem sie zum Beispiel ohne Rücksprache Bankkonten abräumen. Übrigens kann sich jemand, der mit einer solchen Vollmacht auf das Nachlassvermögen zugreift, auch selbst erheblichen Ärger einhandeln, weil er ggf. als faktischer Executor angesehen wird. Mehr zu diesem Prinzip des „meddling with the estatein diesem Post.

In Irland hat man wenigstens eine Chance

Das irische Erbrecht und das Verfahren der Nachlassabwicklung auf der Republik Irland ist in den Grundprinzipien ähnlich dem im Vereinigten Königreich. Aber eben nur ähnlich. Wie sich das deutsche und das österreichische Erbrecht in vielen Punkten ganz wesentlich unterscheiden, so ist es auch zwischen UK und der Republik Irland (bitte nicht mit Nordirland in einen Topf werfen).

Die erbrechtlichen Fachbegriffe sind in Irland anders, das Erbscheinsverfahren verläuft nach etwas anderen Regeln und die irischen Erbschaftsteuern sind komplett anders ausgestaltet als in Großbritannien. Und es gibt noch einen Unterschied: Vollmachten über den Tod hinaus sind in der Republik Irland nicht von vornherein indiskutabel. Große Begeisterung rufen solche „trans-mortal powers of attorney“ zwar auch bei irischen Banken nicht hervor. Es ist aber zumindest einen Versuch wert, mit einer bestehenden (deutschen) Vollmacht auf das Konto des Erblassers zuzugreifen. Wenn man es geschickt macht, also der irischen Bank ein kurzes Rechtsgutachten eines deutschen Anwalts vorlegt und die Bank von jeglicher Haftung freistellt, gibt die irische Bank das Guthaben in manchen Fällen frei, ohne einen irischen Erbschein zu verlangen. Das spart dann gute sechs Monate Zeit und einige tausend Euro Anwalts- und Gerichtsgebühren.

Also: Vorher noch ein vierblättriges Kleeblatt suchen und dann die Bank anschreiben!

Falls Sie Hilfe bei der Abwicklung einer Erbschaft in Irland benötigen, unterstützen wir Sie gerne. Wir beantragen einen Erbschein vor irischen Nachlassgerichten oder erstellen ein kurzes Rechtsgutachten (Legal Affidavit) für die Anwaltskollegen in Irland. In vielen deutsch-irischen Erbfällen agieren wir auch als Nachlassabwickler.

Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, Irland, England und Schottland siehe:

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Unsere 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist auf grenzüberschreitende Nachlassfälle spezialisiert. Wir haben mittlerweile gut 100 deutsch-britische Erbfälle begleitet oder vollständig als Administrator abgewickelt, inklusive Auflösung von Geldanlagen und Verkauf von Immobilien. Mitglied unserer Kanzlei ist die als UK Solicitor qualifizierte Kollegin Elissa Jelowicki, die bei der RAK München als Niedergelassene Europäische Rechtsanwältin registriert ist. In einem eintätigen Crash-Kurs „Praxis der Nachlassabwicklung und Erbschaftssteuer in UK“ teilen wir die so erworbene Erfahrung regelmäßig auch mit erbrechtlich tätigen Kollegen. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), der seit 2001 auf die Abwicklung deutsch-britischer Rechtsfälle spezialisiert ist.

 

2 Comments

  • […] bzw. die Kinder auch ohne Grant of Probate später Zugriff auf die Assets erlangen können (z.B. transmortale Vollmacht oder gemeinsame Kontoberechtigung, joint ownership). Falls die Bank oder Versicherung dazu nicht […]

  • […] Nun, die schlechte Nachricht für den Anrufer (und dessen früheren Anwalt): Die Banken haben leider Recht. Im gesamten Common Law System gibt es keine Vollmachten über den Tod hinaus. Transmortale Vollmachten werden nicht akzeptiert. Englische Solicitors haben den Begriff in aller Regel überhaupt noch nie gehört und schauen einen verständnislos bis mitleidig an, wenn man etwas von „transmortal powers of attorney“ erzählt, die in Germany üblich seien. In juristischen Kommentaren findet man dazu nur den schlanken Satz: „Under the common law, a power of attorney becomes ineffective if its grantor dies.“ Mehr gibt es dazu aus Sicht des Common Law Juristen nicht zu sagen. Außer vielleicht bei den Iren: In der Republik Irland (nicht in Nordirland) werden transmortale Vollmachten manchmal von Banken akzeptiert, aber auch nicht wirklich gern (Details hier). […]