Greift USA Erbschaftsteuer, wenn ein Amerikaner in Deutschland verstirbt?

Das US-Finanzamt lässt seine Bürger nicht entkommen

Von Gerald Brix, Experte im US-deutschen Steuerrecht in New York, USA (BRIX + PARTNERS LLC)

An die USA-Erbschaftsteuer denkt man vor allem, wenn ein amerikanischer Staatsangehöriger (US-Citizen) in den USA verstirbt und sein in USA befindliches Vermögen an Personen in Deutschland vererbt (wobei dann natürlich auch deutsche Erbschaftsteuer anfallen kann).

Was gilt aber in der Konstellation, wenn ein US Citizen seit vielen Jahren ausschließlich in Deutschland lebt, nur Vermögen in Deutschland besitzt, und dann verstirbt? Fällt dann – zusätzlich zur deutschen Erbschaftsteuer – auch Erbschaftsteuer in den USA an?

Federal Estate Tax knüpft an die Staatsangehörigkeit an, nicht den Wohnsitz!

Keine banale Frage. Man muss hierfür zunächst die Grundprinzipien der USA-Erbschaftsteuer verstehen, genauer gesagt der Besteuerung aller unentgeltlicher Vermögensübertragungen (Vererbung, Schenkung usw.):

  1. Ein unentgeltlicher Vermögensübergang im Wege der Erbschaft unterscheidet sich in den USA signifikant von der Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge), wie sie im Zivilrecht der meisten europäischen Staaten vorgesehen ist (Muster des französischen Code Civil).  Mit dem Tod des Erblassers wird in den USA ein estate, also Nachlass begründet, eine selbstständige Vermögensmasse, die ausnahmslos unter Verwaltung eines Testamentsvollstreckers steht. Die Abwicklung (administration) eines solchen Nachlasses kann im Extremfall Jahrzehnte dauern. So besteht zum Beispiel bis heute „The Estate of Michael Jackson„, obwohl dieser bereits 2009 verstorben ist.  Der Testamentsvollstrecker eines solchen Nachlasses, der entweder testamentarisch oder durch das Nachlassgericht in den USA ernannt wird, ist Rechtsnachfolger aller Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten.  Der Nettonachlass ist auf Ebene des estate nachlasssteuerpflichtig.
  2. Die Nachlasssteuer knüpft an die Stellung des Erblassers an, der entweder beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig ist. Auch die Freibeträge richten sich nach dem Erblasser, die Steuer selbst ist abhängig von der Höhe des steuerpflichtigen Nachlasses.  Das bedeutet im Umkehrschluss:  Steuerpflichtig ist der Erblasser bzw. sein Nachlass, die begünstigten Erben erhalten das Erbe nach Steuern und sind damit nicht mehr steuerpflichtig.  Mithin ist auch die verwandtschaftliche Stellung der begünstigten Erben irrelevant (Ausnahme ist lediglich die Übertragung an den Ehegatten, welche nicht steuerbar ist, wenn dieser US-Staatsbürger ist).  Gleiches gilt übrigens bei Übertragungen im Wege der Schenkung.  Auch hier ist der Begünstigte nicht steuerpflichtig, sondern nur der Schenker.

Für die konkrete Fragestellung (US Citizen lebt seit langem in Deutschland und verstirbt auch hier) bedeutet dies im Hinblick auf die Erbschaftsteuer auf USA-Bundesebene (Federal Estate Tax) folgendes:

  1. Da die unbeschränkte Steuerpflicht an die Stellung des Erblassers als US-Staatsbürger anknüpft, ist es irrelevant, ob dieser in den USA oder außerhalb der USA verstirbt.  Der Nachlass ist, wie oben beschrieben, immer in den USA steuerpflichtig, unabhängig von der Belegenheit des Vermögens (sog. überlagerndes Besteuerungsrecht).  Eine US-Nachlasssteuererklärung ist – abhängig von der Höhe des Vermögensübergangs – erforderlich.  Liegt das Nettovermögen unter dem Freibetrag von USD 12.920.000 (Stand 2023), ist grundsätzlich keine Nachlasssteuererklärung erforderlich, kann aber unter bestimmten Konstellationen sinnvoll sein.
  2. Unabhängig von den US-steuerlichen Vorschriften ist regelmäßig das Erbrecht des Domizilstaates anwendbar, erbrechtliche US-Vorschriften sind normalerweise nicht anwendbar.  Deshalb entfällt auch das Erfordernis eines US-Testamentsvollstreckers.  Die Haftung für die US-Nachlasssteuern geht deshalb auf die Erben über (successor liability).  
  3. Wird der Nachlass des Erblassers in den USA besteuert und unterliegt der Begünstigte beispielsweise in Deutschland der Erbschaftsteuer, kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen.  Diese wird normalerweise durch Anrechnung vermieden oder zumindest verringert.  Welcher der betroffenen Staaten anrechnet, ist von der Belegenheit des Vermögens abhängig.  Immer aber gilt:  die Anrechnung ist beschränkt auf die Höhe der Steuer desjenigen Staates, auf die eine Anrechnung erfolgt (sog. überdachender Steueranrechnungsausgleich).  Mithin kann es trotz Anrechnung zu einer Doppelbesteuerung kommen.
  4. Wenn es nach US-Nachlasssteuerrecht einzig auf den Schenker oder Erblasser ankommt, dann ist ein US-Staatsbürger als Begünstigter von unentgeltlichen Vermögensübertragungen nicht steuerpflichtig.  Allerdings gelten im US-Steuerrecht umfangreiche Offenlegungspflichten.  Eine dieser disclosure obligations ist anzuwenden, wenn ein US-Staatsbürger oder eine andere in den USA unbeschränkt steuerpflichtige Person eine Schenkung oder eine Erbschaft von einem Nicht-US-Staatsbürger oder einer anderen nicht in den USA unbeschränkt steuerpflichtigen Person von mehr USD 100.000 erhält (IRS Form 3520). Solche unentgeltlichen Zuwendungen sind anzeigepflichtig.  Bei Verletzung der Meldepflicht wird eine Strafe von 25% des nicht gemeldeten Betrages erhoben, obwohl dem amerikanischen Staat kein Cent Steuern entgangen sind! Drakon lässt grüßen.

Und dann gibt es noch die 50 einzelnen Bundesstaaten

Die obigen Ausführungen betreffen nur die bundesweite US-Erbschaftsteuer (Federal Estate and Gift Tax). Daneben gibt es aber etliche USA-Bundesstaaten, die entweder einen Nachlass im jeweiligen Bundesstaat besteuern (estate tax) oder aber den Zufluss an eine Person, die ihren Wohnsitz in diesem Bundesstaat hat (inheritance tax). Hier wird es unübersichtich, da in den jeweiligen Staaten ganz unterschiedliche Anknüpfungsvoraussetzungen, Freibeträge und Steuersätze gelten. Hatte der Verstorbene aber keinen Wohnsitz in diesem Bundesstaat und dort auch kein Vermögen, fällt in aller Regel in diesem Bundesstaat auch keine Nachlasssteuer an, selbst wenn ein Begünstigter in diesem Bundesstaat wohnt.

Eine Beschreibung des Status Quo der Erbfall-Besteuerung auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten finden Sie hier

Fazit: Erbschaftsteuer in USA

Wenn in einem konkreten deutsch-amerikanischen Erbfall somit entweder Nachlassvermögen in einem USA-Bundesstaat existiert oder ein Begünstigster in den USA lebt, muss man neben der Bundesebene (Federal Leval) auch die Situation in dem/den betroffenen einzelnen Bundesstaat/en prüfen, wenn man ausschließen will, in den USA in den Verdacht der Steuerhinterziehung zu geraten.

Weitere Informationen zum Erbrecht in den USA

Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk von US-amerikanischen Anwälten gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.

Zu allen Steuerfragen in den USA berät Sie gerne die Kanzlei BRIX + PARTNERS LLC in New York. Der deutsche Diplom-Kaufmann (Universität Regensburg) Gerald Brix ist seit 1996 Gründungspartner und Namensgeber der Steuerkanzlei in Manhattan. Als deutscher Muttersprachler berät er seit bald 30 Jahren Mandanten im US-amerikanischen Steuerrecht.