Tipps zur Nachlassabwicklung in Kalifornien

Wie regelt man eine Erbschaft in Kalifornien?

Das Nachlassverfahren (Probate) im US-Bundesstaat Kalifornien ist berüchtigt für seine lange Dauer und komplizierten Formvorschriften. Sogar wenn alles perfekt läuft, dauert es mindestens sieben Monate, bis der kalifornische Erbschein (Grant) erteilt wird und die Erbschaft in Kalifornien an die Erben bzw. Begünstigten verteilt werden kann. Im echten Leben läuft aber selten alles perfekt ab, insbesondere nicht bei internationalen Erbfällen, wenn also deutsche oder österreichische Erben beteiligt sind. In solchen internationalen Erbfällen zwischen Europa und den USA prallen nämlich verschiedene juristische Welten und Denkweisen aufeinander, die oft zu Missverständnissen führen. Selbst zwischen den Erbrechtsanwälten in USA und Europa.

Kann ich den Erbscheinantrag in USA erst mal selbst stellen? Was soll schon schief gehen?

Leider sehr vieles. Wenn deutsche Erben (oder deren deutsche Anwälte) versuchen, den in USA befindlichen Nachlass von Deutschland aus selbst zu regeln, also ohne einen erfahrenen U.S.-Erbrechtsanwalt im jeweiligen Bundesstaat einzuschalten, geht das fast immer schief. Man verliert Monate oder Jahre und es kostet im Ergebnis immer mehr, als wenn man den Erbfall sofort von Profis bearbeiten lässt. Einige der typischen Fehler deutscher Erben bei USA-Erbfällen sind:

  • Die deutschen Erben wissen zunächst gar nicht, dass in USA ein eigener Erbschein beantragt werden muss (Details hier), sondern schicken – ganz naiv – erst einmal den deutschen Erbschein  (übersetzt und beglaubigt) nach USA, etwa an eine US-amerikanische Bank. Schon hat man ein bis zwei Monate verloren, bis die Erben oder deren deutscher Rechtsanwalt merken, dass die Bank oder Versicherung in USA mit „Certificate of Inheritance“ bzw. „Grant“ nicht den deutschen Erbschein meint, sondern ein in den USA zu beantragendes Nachlasszeugnis. Der deutsche Erbschein oder ein deutsches notarielles Testament sind in den USA als Erbnachweis wertlos.
  • Deutsche Dokumente (z.B. Sterbeurkunden) werden ohne Apostille nach USA verschickt.
  • Es wird keine beglaubigte Übersetzung (certified translation) beigefügt. Oder die beglaubigte Übersetzung eines deutschen Übersetzers, der vom US-Nachlassgericht nicht anerkannt wird. Wieder mehrere Wochen verloren und doppelte Übersetzungskosten generiert.
  • Es werden die falschen Formulare des US-Nachlassgerichts verwendet; für Erbfälle mit Beteiligung von Nichtamerikanern (Non-US-Citizens) existieren nämlich meistens spezielle Formulare, auch in Kalifornien. Finden Sie in dieser Liste der offiziellen Antragsformulare im kalifornischen Nachlassverfahren auf den ersten Blick die passenden Dokumente?
  • Oder aber die richtigen Formulare werden falsch ausgefüllt, zum Beispiel wird eine Person als Testamentsvollstrecker eingetragen, die hierfür nicht zugelassen ist; in Europa wohnende Erben können zum Beispiel nicht selbst als Nachlassabwickler (Executors oder Administrator) für die Erbmasse in den USA agieren, sondern benötigen einen Vertreter, der in den USA lebt, meistens sogar im jeweiligen Bundesstaat (Details hier); dieser Vertreter muss wiederum formell bestellt werden.
  • Die nötige eidesstattliche Versicherung (Affidavit) für den USA-Erbscheinsantrag (Probate Application) wird formell fehlerhaft abgegeben.
  • Das Nachlassverzeichnis (Estate Inventory) ist unvollständig, enthält zum Beispiel Forderungen auf Rückerstattung zu viel gezahlter Beiträge nicht. Dann muss nachgebessert und das korrigierte Verzeichnis erneut eingereicht werden.
  • Unterlagen aus Deutschland oder Österreich werden mit normaler Post (statt per Kurier) nach USA verschickt, was mehrere Wochen dauern kann und recht unzuverlässig ist. Verliert die Post schlimmstenfalls sogar wichtige Originaldokumente, muss man diese zeitraubend erneut besorgen. Daher besser alle Unterlagen zunächst sammeln und dann einmalig einen Express-Kurierdienst mit dem Versand des Paktes nach USA beauftragen, auch wenn das teuer ist.
  • Das Thema USA Erbschaftsteuer (U.S. Estate Tax) wird entweder vergessen oder unterschätzt.
  • Das deutsche Finanzamt wird über die USA-Erbschaft zu spät oder gar nicht informiert.

Jedes Mal, wenn im Erbscheinsverfahren ein Fehler passiert, also zum Beispiel die eingereichten Unterlagen falsch ausgefüllt oder unvollständig sind, kommt es zu einer „probate continuance“, also einer Verfahrensverlängerung. Praktisch bedeutet das: Die Nachlassakte kommt wieder ganz unten in den Stapel und wird erst 4-12 Wochen später wieder zur Bearbeitung vorgelegt. Hinzu kommt, dass die Gerichte in Kalifornien seit Jahren massiv unterbesetzt sind , was ohnehin schon zu längeren Bearbeitungszeiten führt als in vielen anderen Bundesstaaten. Hier ein Artikel der Los Angeles Times zum Thema „understaffed courts in California„. Aus all diesen Gründen ist es nicht ungewöhnlich, wenn die Abwicklung eines kalifornischen Erbfalls mehrere Jahre dauert, selbst ohne große Fehler des Probate Lawyers.

Wer sich trotz allem immer noch zutraut, den Erbschein in Kalifornien selbst von Deutschland oder Österreich aus zu beantragen, viel Erfolg!

Der US-Erbschein ist noch nicht das Ende der Nachlassabwicklung

Man muss sich als deutscher (Mit-)Erbe eines amerikanischen Nachlasses ferner darüber im Klaren sein, dass in den USA die Erteilung des Erbscheins nicht bedeutet, dass das Nachlassgericht die Akte schließt und die Aufteilung der Erbmasse dem Nachlassverwalter oder den Erben selbst überlässt. Anders als in Deutschland überwacht das US-Nachlassgericht nämlich die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers und lässt sich von diesem einen Bericht vorlegen. Natürlich müssen hierbei auch die US-amerikanischen Erbschaftsteuern (U.S. Estate Tax) geprüft und – sofern Steuern anfallen – bezahlt werden. Erst wenn das Nachlassgericht die Tätigkeit des Nachlassabwicklers für gut heißt und dem vom Nachlassabwickler vorgeschlagenen Verteilungsplan zustimmt, darf der Executor bzw. Administrator die Gelder an die Erben ausschütten, also konkret nach Deutschland überweisen. Das Prinzip der Überwachung der Tätigkeit des Nachlassabwicklers durch das US-Nachlassgericht gilt nicht nur in Kalifornien; wir haben das Prozedere am Beispiel der Vorschriften des Bundesstaat New York hier genauer erklärt.

Gibt es wirklich gar keinen Weg, ein Erbscheinverfahren in USA zu vermeiden?

Nun, wenn der Erblasser erst einmal verstorben ist, leider nicht mehr. Wer Vermögen in den USA besitzt, kann dieses aber natürlich zu Lebzeiten entweder rechtzeitig an die nächste Generation übertragen oder einen sogenannten Living Trust erstellen (im Ergebnis so etwas wie eine Übertragung mit Nießbrauchsvorbehalt, wenn auch ganz anders konstruiert). Alternativ kann das Vermögen in den USA auch durch eine deutsche Körperschaft gehalten werden (also etwa eine deutsche GmbH, Aktiengesellschaft oder Stiftung). Dann vererben sich die Anteile an dieser deutschen Körperschaft in Deutschland. In USA können aber dennoch Steuern anfallen.

Die Erbrechtsexperten von GrafLegal beraten sowohl bei der Gestaltung von Testamenten und Living Trusts (nicht zu verwechseln mit Living Wills, d.h. Patientenverfügungen nach US-Recht), als auch bei der Abwicklung von Erbfällen in Kalifornien und anderen Bundesstaaten der USA. Unser US-Kooperationsanwalt in Kalifornien ist John B. Palley, Namenspartner der Kanzlei Meissner Joseph Palley & Ruggles in Sacramento und ausgewiesener Experte für kalifornisches Erbrecht und Autor des Buches „How to Live & Die with California Probate“.

Mehr Infos zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in USA hier:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GermanCivilProcedure) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk von US-amerikanischen Anwälten gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.

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