Ein „Evergreen Retainer“ für den Anwalt in USA

Wie beauftragt man einen Anwalt in Amerika?

Nach gut 20 Jahren Beratung in deutsch-amerikanischen Rechtsfällen ist einer unserer wertvollsten Aktivposten, dass wir ein Netzwerk von Attorneys at Law aufgebaut haben, die Fälle aus Deutschland überhaupt annehmen, also auf unsere Mails antworten und kurzfristig zu einer Videokonferenz bereit sind. Von Deutschland aus einen Anwalt in USA zu beauftragen ist nämlich gar nicht so einfach.

Mandatsanfragen aus Deutschland werden meist ignoriert

Wer das schon einmal versucht hat, etwa per Mail an eine amerikanische Kanzlei, hat vermutlich die Erfahrung gemacht, dass die Kanzlei gar nicht erst antwortet. Das liegt zum einen daran, dass die Wahrscheinlich bei gut 80% liegt, dass Ihre E-Mail im Spam-Ordner gelandet ist. Denn amerikanische Anwälte (und Ihre IT’ler) sind extrem vorsichtig bei Mails aus dem Ausland. Manche Kanzlei sperren sogar ihre Websites für Besucher, die von außerhalb der USA darauf zugreifen, also schlicht die Kanzleiwebsite besuchen wollen.

Kommt die Mail an und landet auch nicht im Spam-Ordner, dann ist die Wahrscheinlich trotzdem groß, dass die Kanzlei die Anfrage aus Deutschland ignoriert. Vielleicht hält man diese für Spam, einen Betrugsversuch oder zumindest für „anstrengend“. Das gilt umso mehr, wenn man den Attorney gleich mit einer Liste von juristischen Fragen überfällt. Schreiben Sie dann noch etwas von „Honorar auf Erfolgsbasis“, dann können Sie sich die Anfrage gleich sparen. Der Anwalt wird kein Interesse haben.

Wie kontaktiert man einen Attorney in USA?

Zuerst sollte man recherchieren, ob der Fall überhaupt in das Profil des Anwalts passt. Dann eine kurze schriftliche Anfrage stellen, am besten über die Eingabemaske der Kanzleiwebsite (die geht immer durch), statt über eine E-Mail. Falls wir eine Mail schicken müssen, rufen wir in der Regel einige Stunden später per Telefon hinterher und fragen, ob die Mail angekommen ist.

In dieser ersten Anfrage sollte man klar zum Ausdruck bringen, dass man keinen gratis Rechtsrat erwartet. Sätze wie: „I am happy to provide you with a retainer“ („Ich überweise Ihnen gerne einen Honorarvorschuss“) wirken meist Wunder.

Je nach Rechtsgebiet muss Ihnen klar sein, dass US-amerikanische Anwälte in der Regel erheblich teurer sind als Rechtsanwälte in Deutschland. Unsere Schwerpunkte sind Erbrecht / Nachlassabwicklung sowie internationale Wirtschaftsprozesse. Beides hochpreisige Rechtsgebiete, vor allem Litigation. Wenn man hier keinen blutigen Anfänger frisch von der Uni (fresh out of law school) beauftragen will, muss man mit Stundensätzen von 400 USD aufwärts rechnen, in Großstädten gern auch das Doppelte.

Vorschüsse im mittleren oder sogar hohen fünfstelligen Bereich sind bei amerikanischen Wirtschaftskanzleien völlig normal. Da mittelgroße Kanzleien ihre personellen Ressourcen in der Prozessabteilung (Litigation Department) sinnvoll einsetzen und planen müssen (siehe Stichwort Discovery hier), erwarten die Kanzlein vom künftigen Mandanten ein finanzielles Committment, das die Ernsthaftigkeit beweist („put your money where your mouth is“).

Denn nicht wenige deutsche Mandanten wollen zunächst in USA klagen, machen dann aber doch einen Rückzieher, wenn ihnen klar wird, welche Kosten und welchen organisatorischen Aufwand das auslöst. Hat die Anwaltskanzlei dann ein anderes Prozessmandat abgelehnt, um das Personal für Ihren Fall frei zu halten, wird es ungemütlich.

Was ist ein „evergreen retainer“?

Von internationalen Mandanten wird auch oft ein sogenannter „evergreen retainer“ verlangt, manchmal auch als „replenishing retainer“ bezeichnet. Das Bedeutet, dass der vereinbarte Vorschuss, zum Beispiel 10.000 USD stets in voller Höhe auf dem Konto der Kanzlei bleibt, der Mandant die laufenden Rechnungen also bezahlt, ohne dass der Retainer angegriffen werden muss. Die Zahlung ist also ein „safety deposit“, quasi eine Kaution und auch ein Ernsthaftigkeitstest. Der volle Wortlaut einer solchen Klausel lautet meist wie folgt:

We will perform the work based on the security of a replenishing retainer of $10,000 (USD). This is a security deposit only. Your retainer of $10,000.00 (USD) will remain in this firm’s trust as security for the work that we perform on your behalf. Our monthly statements will be due 30 days from receipt. If you fall more than 60 days behind in your payment, we will apply the security retainer to the amount owed, resign as your attorney, and return any remaining funds in the retainer.

Wenn Sie auf den Gebieten Erbrecht oder Wirtschaftsrecht einen Anwalt in USA benötigen, stellen wir gerne den Kontakt her. Mehr zu unserem Netzwerk hier.

Weitere Infos zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in USA finden Sie hier:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk gerne zur Verfügung. In den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.