Was bedeutet „Closing the Estate“ in amerikanischen Erbfällen?

By Februar 13, 2019Uncategorized

Das USA-Nachlassgericht muss die Verteilung der Erbmasse genehmigen

In Deutschland brauchen Erben nur einen Erbschein beantragen. Da steht dann drin: „A wurde von beerbt von B und C zu je 1/2“. Damit ist das deutsche Nachlassgericht fertig und kümmert sich nicht weiter darum, was B und C mit dem geerbten Vermögen machen, ob sie es fair unter sich aufteilen oder die Gläubiger des Verstorbenen bezahlen. In England ist es übrigens ähnlich. Auch dort wird nur ein Grant of Probate erteilt (bzw. ein Letter of Administration, wenn es kein Testament gibt) und die Abwicklung ansonsten dem Executor bzw. Administrator überlassen.

Ganz anders in den USA

Dort hat der Nachlassrichter des jeweiligen US-Bundesstaates eine sehr aktive Rolle bei der Abwicklung des amerikanischen Nachlasses. Die Erteilung des Nachlasszeugnisses (der Begriff Erbschein passt für die USA eigentlich nicht so richtig) ist nur ein Zwischenschritt. Der Executor bzw Administrator ist in den meisten US-Bundesstaaten nämlich nicht nur den Gläubigern, dem Finantamt und den Erben direkt verantwortlich, sondern das amerikanische Nachlassgericht überwacht dessen Tätigkeit. Ähnlich wie ein Betreuer (Deputy, Guardian), muss der Nachlassverwalter in den USA dem Gericht einen Bericht inklusive Nachlassverzeichnis und Verteilungsplan für die verbleibende Erbmasse vorlegen.

Verified Statement: Der eidesstattliche versicherte Abschlussbericht

Dieser Abschlussbericht des amerikanischen Nachlassverwalters (Testamentsvollstreckers) heißt in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich. Meistens wird er als „Verified Statement“ oder „Estate Closing Account“ bezeichnet, manchmal auch als „Sworn Estate Account“. Inhaltlich läuft es dabei auf das selbe hinaus: Der Excecutor bzw. Administrator in den USA versichert per eidesstattlicher Versicherung (Affidavit bzw. Oath genannt) gegenüber dem USA Nachlassgericht (Probate Court) folgendes:

  • die bekannten Nachlassverbindlichkeiten sind bezahlt (Verbindlichkeiten des Verstorbenen)
  • nach Aufruf (etwa per Zeitungsanzeige) haben sich keine weiteren Nachlassgläubiger gemeldet
  • das verbleibende Nachlassvermögen wird (wurde) an die Berechtigten ausbezahlt (Erben, Vermächtnisnehmer)
  • die Erbschaftsteuern (Estate Taxes) in USA sind beglichen
  • alle Personen, die ein berechtigtes Interesse am Erbfall haben wurden benachrichtigt, haben ein offiziell bestätigtes Nachlassverzeichnis erhalten und äußerten keine Einwände (falls doch, wird es ein streitiger Nachlassfall, „contentious probate„)

Das Nachlassgericht nimmt ein solches „Verified Statement“ des Executors in der Regel erst nach einer gewissen Zeit entgegen, in New Mexico zum Beispiel frühestens drei Monate nachdem der „personal respresentative“ (Executor bzw. Administrator) seine Tätigkeit aufgenommen hat (also vom US Probate Court ernannt wurde).

Hat der Nachlassabwickler seinen Abschlussbericht eingereicht, hält das US-Nachlassgericht die Nachlassakte noch für einen bestimmten Zeitraum offen. Bei Erbfällen in New Mexico zum Beispiel für 12 Monate. Gehen bis dahin keine Beschwerden oder Anträge zu diesem Erbfall beim Gericht ein, wird die Akte geschlossen (Formal Closing of the Estate) und das Amt des Executors bzw. Administrators endet.

Nur in Amerika?

Als deutschem Anwalt für Erbrecht erscheint einem dies alles seltsam umständlich, weil sich doch die Erben – wie in Deutschland – auch selbst um die Nachlassabwicklung kümmern könnten. Man muss sich aber vor Augen halten, dass in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen die Erben nicht für Schulden des Verstorbenen haften. Deshalb muss vor der Verteilung der Erbmasse sicher gestellt sein, dass zunächst alle Gläubiger bezahlt werden. In Deutschland können sich die Gläubiger ja einfach an die Erben wenden und Zahlung verlangen, deshalb ist es egal, wann der Nachlass verteilt wird. In USA und England nicht.

Und dass ein Nachlassgericht sich bei der Abwicklung einer Erbschaft einmischt, ist auch keine US-amerikanische Besonderheit. In Österreich ist es sogar noch extremer: Dort übernimmt gleich ein vom Nachlassgericht bestellter Notar (als Gerichtskommissär) die Nachlassabwicklung, ob die Erben das wollen oder nicht (mehr zu Erbfällen in Österreich hier).

Bei einem Erbfall mit Nachlassvermögen in USA beraten wir deutsche Erben dabei, wie sie möglichst schnell und kostengünstig an die USA-Erbschaft gelangen, wie die Erbschaft in USA und Deutschland zu versteuern ist und welche Anwälte für Erbrecht im jeweiligen USA-Bundesstaat hinzugezogen werden müssen (Details). Mehr Infos zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in USA hier:

Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GermanCivilProcedure) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk von US-amerikanischen Anwälten gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.